Leitsatz (amtlich)

Auch unstreitiges (neues) Vorbringen ist nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO n.F. im Berufungsverfahren zuzulassen.

Ist der Rechtsstreit jedoch – aus anderen Gründen – an die erste Instanz zurückzuverweisen, ist dort das neue Vorbringen zu berücksichtigen, weil das Novenrecht des Zivilprozessreformgesetzes allein der Funktion der Berufungsinstanz als Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung dient. Das gilt auch dann, wenn das in zweiter Instanz nicht zulässige Vorbringen den Hauptantrag betrifft und die Zurückverweisung sich auf einen Hilfsantrag bezieht. In diesem Fall ist die Sache (einschl. des Hauptantrages) insgesamt aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Wird eine Klageänderung zu Unrecht als nicht sachdienlich zurückgewiesen, ist die Sache auf Antrag des Berufungsklägers in entspr. Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur weiteren Verhandlung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 25.04.2003; Aktenzeichen 4 O 480/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Mainz vom 25.4.2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das LG Mainz zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger hat durch notariellen Kaufvertrag vom 3.7.1996 ein kaufmännisches Unternehmen einschl. des zugehörigen Grundbesitzes an den Beklagten und dessen Bruder (in Gesellschaft bürgerlichen Rechts) verkauft. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger den Beklagten mit der Behauptung, zwischen den Parteien sei eine mündliche Zusatzvereinbarung zur Zahlung weiterer 60.000 DM sowie auf Übertragung einer Eigentumswohnung getroffen worden und der Bruder habe dem Beklagten den Geldbetrag bereits zur Weiterleitung an ihn zur Verfügung gestellt, auf Zahlung dieses Betrages nebst Verzugszinsen in Anspruch. Auf den Hinweis des LG unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Palandt/Heinrichs zu § 313 BGB, die in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen seien nicht schlüssig vorgetragen (Bl. 48 GA), hat der Kläger eine Abtretungserklärung des Bruders des Beklagten vorgelegt (Bl. 56 GA) und seine Klage hilfsweise hierauf gestützt.

Das LG hat durch Urteil vom 25.4.2003 die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klagevortrag sei in der Hauptbegründung unschlüssig und die hilfsweise Klagebegründung werde mangels Sachdienlichkeit nicht zugelassen. Wegen der weiteren Sachdarstellung und der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen in Tatbestand und Entscheidungsgründen dieses Urteils Bezug genommen.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter und begehrt, den Rechtsstreit an das LG zurückzuverweisen. Er macht geltend, es handele sich um eine Überraschungsentscheidung, weil das LG nicht darauf hingewiesen habe, dass Vortrag zur – längst erfolgten – Grundbuchumschreibung des verkauften Grundbesitzes erforderlich sei. Im Übrigen habe er durch die treuhänderische Übergabe des Geldes seitens des Bruders des Beklagten an diesen Eigentum hieran erworben, hilfsweise stünden ihm deliktische Ansprüche zu, weil der Beklagte dieses Fremdgeld unterschlagen und seinem Bruder erklärt habe, es an ihn weitergeleitet zu haben. Das LG hätte auch der Hilfsbegründung nachgehen müssen, weil hierdurch keinesfalls ein neuer Prozessstoff in den Rechtsstreit eingeführt worden sei.

Auf den Hinweis des Senates, dass die Wirksamkeit der behaupteten Zusatzabrede auch daran scheitere, dass eine Eigentumswohnung habe übertragen werden sollen, und die Erwiderung des Beklagten, es habe nur eine Anmietung der Eigentumswohnung in Frage gestanden, erklärt der Kläger, der neuen Auffassung des Beklagten, werde „sich diesseits vorsichtig genähert”. Erfolge keine – im weiteren Verlauf ausgebliebene – Stellungnahme, möge „dieser neue Vortrag der Gegenseite als unstr. verstanden werden”.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist darauf, dass durch die Hilfsbegründung das äußerst komplizierte und umfangreiche Verhältnis zwischen ihm und seinem Bruder in den Prozess eingeführt werde. Diesem stehe kein Anspruch gegen ihn zu, vielmehr habe er im Innenverhältnis die Klageforderung weit übersteigende Ansprüche gegen seinen Bruder. Zudem werde die Wirksamkeit der Abtretung bestritten, weil sein Bruder die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und nicht in der Lage sei, seine Verbindlichkeiten zu begleichen. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen, weshalb die Abtretung gegen das Anfechtungsgesetz und mehrere Strafnormen verstoße.

Wegen des...

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