Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts; gerichtliche Sachaufklärungspflicht im Wandlungsprozess nach Kauf eines Kfz. mit repariertem Unfallschaden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ausschluss der Anwendung des Einheitskaufrechts muss nicht zwingend beim Zustandekommen des Vertrages, sondern kann auch nachträglich erfolgen, selbst noch im Rechtsstreit. Dafür genügt konkludentes Verhalten, etwa wenn die Parteien ausdrücklich auf das Kaufrecht des BGB/HGB oder auf inländisches Gewährleistungsrecht als anwendbares Recht Bezug nehmen.

2. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung des Parteivorbringens bestimmt sich auch im Wandelungsprozess wegen Veräußerung eines unfallbeschädigten Kfz. nach dem konkreten Inhalt von Vortrag und Gegenvortrag. Die Behauptung, der Käufer sei auf den reparierten Unfallschaden hingewiesen worden, muss nicht weiter konkretisiert werden, wenn sich das Kerngeschehen nach Ort und Zeitpunkt hinreichend erschließt.

3. Sieht das Gericht materiell rechtlich unzutreffend von einem bei richtiger Betrachtung erforderlichen Hinweis ab, liegt darin kein Verfahrensfehler. Anders ist es, wenn zugleich die Pflicht zur materiellen Prozessleitung (§ 139 ZPO) nicht beachtet und eine Partei auf die Unvollständigkeit ihres Sachvortrags nicht hingewiesen wurde.

4. Die Vernehmung präsenter Zeugen darf nach § 296 ZPO nicht allein wegen "fortgeschrittener Zeit" abgelehnt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 433-434, 437, 442, 444; CISG Art. 6; ZPO §§ 138-139, 286, 296, 538 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 11.06.2015; Aktenzeichen 7 HK O 84/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des LG Trier vom 11.6.2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben. Die Entscheidung über die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin verfolgt Rückgewähr- und Schadensersatzansprüche wegen der Veräußerung eines aus ihrer Sicht mangelbehafteten Kraftfahrzeugs.

Mitte 2014 bot die Beklagte im Internet einen gebrauchten Porsche Cayenne an. Die Klägerin, die in Litauen mit Kraftfahrzeugen handelt, wurde hierauf aufmerksam und kontaktierte die Beklagte telefonisch. Der Inhalt der Telefongespräche ist zwischen den Parteien streitig. Am 10.7.2014 schlossen die Parteien mündlich einen Kaufvertrag, nach dem die Klägerin den Porsche Cayenne zu einem Kaufpreis von 54.100,00 EUR erwarb. Die Klägerin übernahm das Fahrzeug und überführte dieses gegen einen Kostenaufwand von 420,00 EUR nach Litauen, wo das Fahrzeug angemeldet wurde, wofür weitere Kosten in Höhe von 600,00 EUR entstanden.

Die Klägerin reklamierte in der Folgezeit - u.a. nach Konsultation des Kundendienstes des Porsche-Importeurs in Lettland - Mängel an dem Fahrzeug. Mit Schreiben vom 1.9.2014 erklärte sie den Rücktritt von dem Kaufvertrag und forderte die Beklagte erfolglos zur Rückabwicklung des Kaufvertrages bis 8.9.2014 auf. Dabei bot sie die Übergabe des erworbenen Kraftfahrzeugs Zug um Zug an.

Im Oktober 2014 ließ die Klägerin den Porsche Cayenne begutachten. Der Sachverständige B. erstellte am 24.10.2014 ein Gutachten. Hierfür entstanden Kosten von 1.400,00 EUR.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Porsche Cayenne, auf Zahlung von Schadensersatz hinsichtlich der angefallenen Gutachter-, Transport- und Anmeldekosten (erstinstanzlich hat sie zudem vom LG rechtskräftig abgewiesene 4.000,00 EUR entgangenen Gewinn verlangt) sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs bezüglich der Rückgabe des Kraftfahrzeugs gerichteten Begehrens angeführt, die Beklagte habe bereits in der ersten Kontaktaufnahme die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zugesichert. Neben dem - unstreitigen - Unfallschaden seien weitere erhebliche Mängel gegeben, hinsichtlich der auf Seite 3 der Klageschrift verwiesen wird.

Die Beklagte hat erstinstanzlich behauptet, eine Unfallfreiheit sei zu keiner Zeit zugesichert worden, vielmehr sei die Beklagte ausdrücklich auf den Unfallschaden hingewiesen worden. Dies ergebe sich schon daraus, dass ihr der Ankaufsvertrag, mit dem die Beklagte das Fahrzeug von der Vorbesitzerin übernommen habe, vorgelegt worden sei und sich aus diesem der Unfallschaden ergebe. Der Zustand des Fahrzeuges bei Übergabe beruhe auf dem Umbauwunsch der Klägerin.

Das LG hat die Beklagte - soweit in der Berufungsinstanz von Bedeutung - zur Rückzahlung des Kaufpreises, zur Schadensersatzleistung in Höhe von 56.570,00 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Porsche Cayenne verurteilt. Zudem hat das LG festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Zur Begründung hat das LG darauf verwiesen, die Übergabe eines Fahrzeugs mit einem nicht offenbarten erheblichen Unfallschaden stelle eine wesentliche Vertragsverlet...

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