Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche des Bauherrn wegen Mängeln vor Fertigstellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die werkvertraglichen Mängelgewährleistungsansprüche stehen einem Bauherrn erst nach der Fertigstellung des Gesamtwerkes zu.

2. Zeigen sich bereits zu Beginn der Bauarbeiten schwerwiegende Mängel, kann sich daraus ein Schadensersatzanspruch des Bestellers nach § 280 BGB ergeben, wenn dem Mangel durch eine Nachbesserung nicht mehr abgeholfen werden kann oder der Unternehmer seine Nachbesserungsbefugnis aus sonstigen Gründen verloren hat.

3. Die vertragwidrige Einstellung oder Verzögerung der Bauarbeiten kann ein derartiger Grund sein. Auch ohne ausdrückliche Parteivereinbarung ist bei einem im Frühjahr begonnen Bau eines Einfamilienhauses davon auszugehen, dass die Arbeiten bis zur Dacheindeckung vor Winterbeginn fertig gestellt sein müssen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 241, 280-281, 323, 634, 636; BGB a.F. § 634 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Urteil vom 21.03.2007; Aktenzeichen 3 O 93/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 21.3.2007 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

a) die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 41.819,86 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.3.2006 zu zahlen,

b) es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der im Zusammenhang steht mit der Rückabwicklung des Bauvertrages der Parteien vom 23.3.2004 (Neubau eines Wohnhauses mit Doppelgarage Flur 1, Parzelle 317/1, 55595 Boos).

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

d) Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 3 OH 7/04 LG Bad Kreuznach haben zu tragen:

Die Kläger als Gesamtschuldner 10,14 %; die Beklagte 89,86 %.

2. Die weiter greifende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger als Gesamtschuldner 4,83 %, die Beklagte 95,17 % zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 Prozent des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern die Gegenseite vor der Vollstreckung nicht eine entsprechende Sicherheit leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagenden Eheleute begehren von der beklagten Baufirma Schadensersatz wegen Nicht- bzw. Schlechterfüllung eines BGB-Bauvertrages. Durch diesen Vertrag verpflichtete sich die Beklagte, den Klägerin ein Wohnhaus mit Doppelgarage zu errichten. Ein Fertigstellungstermin ist im Bauvertrag vom 23.3.2004 nicht vereinbart. Zur Fertigstellung ist es nicht gekommen, weil bereits nach Errichtung des Kellers Meinungsverschiedenheiten auftraten, die zu einem Baustillstand, einem selbständigen Beweisverfahren und letztlich zum Vertragsrücktritt der Kläger führten.

Alsbald nach Baubeginn rügten die Kläger verschiedene Mängel, insbesondere des Kellermauerwerks. Die Beklagte unterbreitete mit Schreiben vom 29.4.2004 Nachbesserungsvorschläge. Die Kläger holten ein Privatgutachten ein, das auf 102 Seiten nebst Anlagen eine Vielzahl weiterer Mängel auflistet. Gestützt auf dieses Gutachten baten die Kläger um Erläuterung der "Nacherfüllungsplanung" der Beklagten und um Wiederaufnahme der Bauarbeiten bis zum 9.6.2004.

Unter dem 17.6.2004 erwiderte die Beklagte, zu einzelnen Nachbesserungen sei sie bereit, nicht jedoch zu dem vom Privatgutachter favorisierten kompletten Abbruch des Kellers. Das Schreiben der Beklagten endet mit der Ankündigung, nach anwaltlicher Beratung werde sie "Nachbesserungspunkte darlegen und ein selbständiges Beweisverfahren einleiten".

Dementsprechend veranlasste die Beklagte das selbständige Beweisverfahren 3 OH 7/04 LG Bad Kreuznach, in dem die Sachverständigen H. und W. die Mängelbeseitigungskosten vorläufig auf über 30.000 EUR veranschlagten. Das Gutachten der beiden Sachverständigen ging Anfang Juni 2005 bei Gericht ein. Anfang Juli 2005 erklärten die Kläger den Rücktritt vom Bauvertrag.

Dem Schadensersatzverlangen der Kläger hat das LG, auf dessen Entscheidung zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, wegen eines Teilbetrages von 44.197,16 EUR nebst Zinsen entsprochen und daneben die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, den Klägern weitere Schäden aus der Rückabwicklung des Vertrages zu erstatten. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Ersatzpflicht der Beklagten folge aus §§ 636, 634 Nr. 4, 633, 281 BGB. Ein ordnungsgemäßes Nachbesserungsangebot habe die Beklagte nicht unterbreitet. Schadensersatz könnten die Kläger trotz des erklärten Rücktritts verlangen (§ 325 BGB).

Mit der Berufung wiederholt die Beklagte den Klageabweisungsantrag. Eine Leistungszeit sei nicht vereinbart worden. Mangels einer derartigen Vereinbarung sei sie berechtigt, die Mängel nachzubessern. Die Fristsetzungen der Kläger im Mai und Juni 2004 seien vor Fälligke...

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