Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsforderung aus Steuerberatervertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Steuerberatertätigkeit ist ein Dienst höherer Art i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB, die üblicherweise aufgrund besonderen Vertrauens übertragen wird. Damit kann die Kündigung fristlos erfolgen (§ 627 Abs. 1 BGB).

2. Ziffer 10 Nr. 2 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften weicht von der Bestimmung des § 627 Abs. 1 BGB ab und ist nicht mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG zu vereinbaren.

3. Das Vertrauensverhältnis ist dann zerstört, wenn einer der Vertragspartner die Beendigung des Vertragsverhältnisses wünscht. Auf besondere Gründe für die Kündigung i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB wird generell verzichtet.

4. Der Umstand, daß eine Klausel als „allgemein üblich” oder „branchenüblich” gilt, ist bei der Interessenabwägung kein maßgeblicher Gesichtspunkt.

 

Normenkette

BGB § 627 Abs. 1; AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 29.08.1988; Aktenzeichen 3 H O 27/88)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. August 1988 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, erstellt seit 1982 für die Beklagte die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen und erledigte deren Buchführungsarbeiten.

Mit Schreiben vom 22.10.1987 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis fristlos. Daraufhin forderte die Klägerin von ihr Zahlung einer Vergütung von 10.613,40 DM. Die Beklagte zahlte für nach der Kündigung von der Klägerin erbrachte Leistungen einen Teilbetrag von 1.787,52 DM.

Mit Ihrer Klage begehrt die Klägerin Begleichung ihrer Restforderung von 8.825,88 DM.

Sie hat vorgetragen:

Sie habe auch in dieser Höhe Vergütungsansprüche, da ihr Vertragsverhältnis zu der Beklagten bis zum 31.03.1988 fortbestanden habe. Die Kündigung sei unwirksam, weil sie gegen ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoße.

In Ziff. 10 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften heißt es:

  1. Der Vertrag endet durch Erfüllung der vereinbarten Leistungen, durch Ablauf der vereinbarten Laufzeit oder durch Kündigung …
  2. Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Vertrag kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von drei Monaten zum Schluß eines jeden Kalendervierteljahres beendet werden, soweit nicht etwas anderes vereinbart wird. Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien in das Vertragsverhältnis der Parteien wirksam einbezogen worden. Gegen die Abbedingung des § 627 BGB durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestünden im kaufmännischen Verkehr keine Bedenken. Auch halte sich die in Ziff. 10 Nr. 2. AGB geregelte Kündigungsfrist innerhalb der in § 11 Nr. 12 AGB-Gesetz zugelassenen Grenzen.

Unstreitig hat die Klägerin die AGB den von ihr erstellten Jahresabschlüssen jeweils beigeheftet.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die AGB der Klägerin seien nicht Vertragsbestandteil geworden. Außerdem könne das Kündigungsrecht aus § 627 Abs. 1 BGB durch AGB eines Steuerberaters nicht wirksam eingeschränkt werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin fehle es bereits an einer Einbeziehung ihrer AGB in das Steuerberatungsverhältnis. Selbst wenn von einer Einbeziehung der AGB ausgegangen werde, sei das Klagebegehren unbegründet. Ziff. 10 Nr. 2 AGB sei unwirksam, da die Klausel die Beklagte gemäß § 9 AGB-Gesetz unangemessen benachteilige. Sie verstoße gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz, da sie dem wesentlichen Grundgedanken des § 627 Abs. 1 BGB nicht Rechnung trage. Gerade im Rahmen von Steuerberatungsverträgen gewinne der Berater als Folge des ihm entgegengebrachten Vertrauens nämlich regelmäßig einen derart weitgehenden Einblick in die geschäftlichen Verhältnisse seines Kunden, daß eine jederzeitige Lösungsmöglichkeit, so wie sie § 627 Abs. 1 BGB vorsehe, wesentlicher Faktor für einen sachgerechten Interessenausgleich der Parteien sei. Aus diesem Grund sei eine Abbedingung des § 627 Abs. 1 BGB lediglich aufgrund einer konkreten Individualabrede, nicht aber schon durch die Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen zulässig.

In der Berufungsinstanz verfolgen die Parteien ihre erstinstanzlichen Begehren im wesentlichen mit weiteren Rechtsausführungen weiter.

Die Klägerin trägt ergänzend vor:

Unter Vollkaufleuten sei die Verwendung der entsprechenden Allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater branchenüblich. Die Regelung in Ziff. 10 Nr. 2 AGB entspreche im Verkehr unter Kaufleuten dem schutzwürdigen Interesse des Dienstverpflichteten, sich im Rahmen der üblichen Fristen, der §§ 622, 624 BGB auf den Fortbestand der Geschäftsbeziehung einrichten zu können. Die in Ziff. 10 Nr. 2 AGB geregelte Frist führe zu keiner unangemessenen Bindungsdauer....

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