Leitsatz (amtlich)

1. Bei Annullierung eines Rückfluges stehen dem Fluggast Ausgleichsansprüche zu, es sei denn diese beruht auf außergewöhnlichen Umständen, die sich nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Als gewöhnliche Umstände können nicht ausschließlich vorübergehende schlechte Wetterbedingungen - hier Nebel am Zielflughafen - angeführt werden. Das Luftfahrtunternehmen hat den Entlastungsbeweis zu führen. Der Befreiungstatbestand in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist als Ausnahme von dem Grundsatz der Ausgleichspflicht eng auszulegen (in Anknüpfung an EuGH Entscheidung vom 22.12.2008 - C - 549/07)

2. Der Entlastungsbeweis ist nicht geführt, wenn das Luftfahrtunternehmen nicht dargelegt hat, warum es nach Landung an einem Ausweichflughafen (Sevilla) nicht ca. 1 1/2 bis 2 Stunden später eine mögliche Zwischenlandung am vorgesehenen Rückflughafen (Jerez) durchgeführt hat, um die dortigen Rückfluggäste aufzunehmen und nach Deutschland zu fliegen. Das Luftfahrtunternehmen muss darlegen, dass eine Zwischenlandung aus flugtechnischer bzw. flugorganisatorischer Sicht im Hinblick auf die Verschiebung der Flugpläne nicht möglich gewesen wäre.

 

Normenkette

EG-VO 261/2004 Art. 5 Abs. 3, Art. 7, 9 Abs. 1a

 

Verfahrensgang

AG Simmern (Entscheidung vom 25.09.2008; Aktenzeichen 3 C 83/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.03.2010; Aktenzeichen Xa ZR 96/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Simmern vom 25. September 2008 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.062,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14.11.2007 sowie 155,30 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten beider Rechtszüge haben der Kläger 1/4, die Beklagte 3/ 4 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Der Kläger nimmt die Beklagte als Fluggesellschaft auf Schadensersatz und Ausgleichsleistungen in Anspruch.

I.

Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten einen Hin- und Rückflug von Frankfurt/Hahn nach Jerez de la Frontera in Spanien gebucht. Der für den 25.10.2007 um 10:00 Uhr vorgesehene Rückflug von Jerez nach Hahn wurde wegen Nebels annulliert. Dem Kläger und seiner Ehefrau wurde ein Ersatzflug für den 27.10.2007 angeboten, den der Kläger ausschlug. Die Beklagte erstattete dem Kläger für die Annullierung des Rückflugs den Flugpreis von 20,--?. Der Kläger macht Ansprüche aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau geltend.

Der Kläger hat vorgetragen, diese Verschiebung sei für ihn nicht zumutbar gewesen. Er habe beschlossen mit seiner Frau auf anderem Wege nach Deutschland zurückzukehren und habe bei der Spanair einen Rückflug über Madrid nach Frankfurt/Main für den 25.10.2007 gebucht. Es werde bestritten, dass wegen schlechter Wetterverhältnisse der Flug von Jerez am 25.10.2007 nicht möglich gewesen sei. In jedem Fall sei es der Beklagten möglich gewesen, anderweitigen Ersatz zu organisieren, etwa dadurch, dass die Fluggäste von Jerez nach Sevilla befördert worden wären, um von dort nach Hahn zurückzufliegen. Ihm stehe deshalb die Ausgleichzahlung nach Artikel 7 EGV 261/2004 von je 400,00 €, mithin 800,00 € zu. Für den Spanair-Rückflug habe er 579,72 € aufgewandt, darüber hinaus habe er eine Mahlzeit am Flughafen von Jerez eingenommen und hierfür 51,00 € gezahlt. Der Transfer von Frankfurt/Main nach Hahn habe 24,00 € gekostet. Zusätzliche Parkgebühren hätten 8,00 € betragen, so dass noch ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 662,72 entstanden sei. Insgesamt schulde die Beklagte deshalb 1.462,72 €. An außergerichtlichen Anwaltskosten sei ein Betrag von 186,24 € entstanden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen an ihn 1.462,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2007 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 186,24 € zu zahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, dass Grund für die Annullierung des Rückfluges die Tatsache gewesen sei, dass die Maschine, die den streitgegenständlichen Flug durchführen sollte, aufgrund Nebels den Flughafen Jerez nicht habe anfliegen können. Den Passagieren seien Ersatzflüge angeboten worden. 84 Passagiere hätten dies wahrgenommen. Der Kläger habe jedoch den angebotenen Ersatzflug abgelehnt. Unterstützungsleistungen stünden dem Kläger nicht zu, da die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sei. Zudem habe sie dem Kläger Unterstützungsleistungen nach Artikel 5 i.V.m. Artikel 8 EG Verordnung Nr. 261/2004 angeboten. Der Kläger und seine Ehefrau hätten sich für die Rückerstattung des Flugpreises entschieden. Diese sei erfolgt. Bezüglich der Betreuungsleistungen sei allenfalls die Mahlzeit am Flughafen Jerez einschließlich Getränken erstattungsfähig, nicht jedoch alkoholische Getränke.

Das Amtsger...

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