Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zahnarzthaftung für die Kosten der anderweitigen Nachbehandlung; Schmerzensgeldbemessung bei erheblichem Mitverschulden des Patienten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch der Zahnarztvertrag ist ein Dienstvertrag. Eine Kürzung oder gar ein Wegfall des Vergütungsanspruchs wegen Schlechtleistung kommen daher grundsätzlich nicht in Betracht. Nach dem Abschluss der Behandlung bestehen auch keine Nachbesserungsansprüche des Patienten oder Nachbearbeitungsrechte des Zahnarztes. Daher scheidet auch eine Schadensersatzhaftung des Zahnarztes für die Kosten anderweitiger Korrekturbehandlungen aus.

2. Kündigt der Patient den Vertrag allerdings vor Abschluss der Behandlung, entfällt der Vergütungsanspruch des Zahnarztes, soweit seine bisherigen Arbeiten kein Interesse mehr für den Patient haben. Die Kündigung setzt allerdings eine mehr als nur geringfügige Fehlleistung des Zahnarztes voraus.

3. Ist die Kündigung durch ein vertragswidriges Verhalten des Zahnarztes veranlasst, entspricht der durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehende Schaden des Patienten (Kosten der anderweitigen Nachbehandlung) in der Regel der Honorarersparnis beim Erstbehandler, der daher im Ergebnis mangels Schaden nicht haftet.

4. Verhindert eine am Rand einer Oberkieferbrücke eingebrachte Kunststoffplatte die ordnungsgemäße Mundhygiene, was zu Zahnfleischentzündungen führt und einen Knochenabbau begünstigt, kann das trotz erheblichen Mitverschuldens der Patientin, die über einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren nicht für anderweitige Abhilfe sorgt, ein Schmerzensgeld von 2.000 EUR rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253-254, 276, 280, 611, 627-628, 823

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 01.12.2011; Aktenzeichen 10 O 255/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird - in Zurückweisung der Berufung der Klägerin und des weiter gehenden Rechtsmittels der Beklagten - das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 1.12.2011 dahin geändert, dass die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin 2.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2009 sowie 229,55 EUR zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte setzte der Klägerin am 9.3.2004 in ihrer zahnärztlichen Praxis eine Oberkieferbrücke ein, die auf den Zähnen 13, 12 sowie 23 aufsaß und die dazwischen liegende Lücke von 11 bis 22 abdeckte. Nachfolgend führte die Klägerin Beschwerde darüber, dass der obere Interdentalbereich merklich luftdurchlässig sei und dass sie lispele. Daraufhin ließ die Beklagte eine Kunststoffplatte fertigen, die sie am 30.4.2004 gaumenseitig am oberen Brückenrand anbrachte.

Ihrer Darstellung nach war die Klägerin dadurch im Wesentlichen zufrieden gestellt. Das mehrfach, schon von vornherein und dann erneut nachträglich unterbreitete Angebot, die Brücke wieder zu entfernen und dann nachzuarbeiten oder zu erneuern, habe diese abgelehnt. Die Klägerin hat einen dahingehenden Vorschlag der Beklagten bestritten.

Nach einem letzten Kontrolltermin am 6.5.2004 waren die Brücke und die Platte kein Gesprächsgegenstand zwischen den Parteien mehr. Die Klägerin suchte die Praxis der Beklagten fortan nur noch in anderem Zusammenhang auf. Als im Sommer 2007 die Sanierung von Brückenanschlusszähnen im Oberkiefer anstand, konsultierte sie den Zahnarzt Dr. L.. Dieser kritisierte die prothetische Arbeit der Beklagten. Die Platte verhindere eine ordentliche Mundhygiene und begünstige Entzündungen.

Danach wandte sich die Klägerin mit einem anwaltlichen Schreiben vom 30.10.2007 an die Beklagte, damit die Dinge abgeklärt würden. Als ein zahnärztliches Schlichtungsverfahren aus Fristgründen nicht mehr zustande kam, leitete die Klägerin am 5.5.2008 ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der in dessen Zuge beauftragte Gutachter bemängelte die von der Beklagten eingesetzte Platte, die einer regelrechten Zahnreinigung entgegenstehe und so zu parodontalen Schäden geführt habe. Die vorhandene Brückenkonstruktion müsse insgesamt entfernt werden.

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin, die sich im Sommer 2009 eine neue, anders gestaltete Oberkieferprothese hat einsetzen lassen, die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit zur Deckung der behaupteten Kosten einer Brücke, wie sie die Beklagte ihrer Ansicht nach schuldete, auf Zahlung einer materiellen Ersatzleistung von 1.882,83 EUR und eines mit mindestens 6.000 EUR zu beziffernden Schmerzensgeldes sowie auf den Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 775,64 EUR in Anspruch genommen. Daneben hat sie die Feststellung deren weiter gehender Haftung begehrt.

Die Beklagte hat entgegnet, dass die Klägerin die Entwicklung selbst zu verantworten habe, weil sie eine adäquate Nachbesserung von ihrer Seite abgelehnt und im weiteren Verlauf die gebotene Mundhygiene, die ohne größere Schwierigkeiten möglich gewes...

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