Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung einer Bank bei Fehlinterpretation einer postmortalen Vollmacht; Erheblichkeit einer Beweisbehauptung zu einer inneren Tatsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine schriftliche Vollmacht, die in einem ersten Abschnitt dazu ermächtigt, den Erblasser zu Lebzeiten in Vermögensangelegenheiten zu vertreten, sofern ein ärztliches Attest mit bestimmtem Inhalt vorgelegt wird, ist insgesamt nur mit einer derartigen Bescheinigung wirksam, wenn in einem zweiten Abschnitt der Urkunde exemplarisch mehrere autorisierte Rechtshandlungen aufgeführt sind, die auch nach dem Tod des Erblassers noch statthaft sein sollen.

2. Der Beweisantrag, einen Zeugen zu einer nicht in seiner Person eingetretenen inneren Tatsache zu vernehmen, ist im allgemeinen nur erheblich, wenn schlüssig dargelegt wird, aufgrund welcher Umstände der Zeuge von der inneren Tatsache Kenntnis erlangt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 164, 167-168, 172, 607, 1922

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 26.07.2006; Aktenzeichen 6 O 89/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Mainz vom 26.7.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte, die der Nebenintervention ihre Streithelferin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und ihre Streithelferin können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.

 

Gründe

I. Der Stiefvater des Klägers unterhielt bei der Beklagten mehrere Sparkassenkonten. Als er am 13.8.2004 als Witwer verstarb, waren darauf nach deren Angaben folgende Salden vorhanden:

Girokonto Soll 618,61 EUR

Tagesgeldkonto Haben Haben 2.375,33 EUR

erstes Sparkonto Haben Haben 2.556 EUR

zweites Sparkonto Haben Haben 17.639,30 EUR

In einem notariellen Testament vom 4.5.2000 hatten sich die Mutter und der Stiefvater des Klägers wechselseitig als Erben und den Kläger sowie dessen Bruder, die aus der ersten Ehe der Mutter hervorgegangen waren, als Schlusserben eingesetzt. Dabei sollte die Geltendmachung des Pflichtteilsrechts nach dem Tod des Erstversterbenden zum Verlust des Schlusserbenrechts führen. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist dieser Tatbestand in der Person des Klägers gegeben. Der Bruder des Klägers hat auf seine Erbansprüche verzichtet.

Am 16.8. und im Wesentlichen am 23.8.2004 veranlasste die Streithelferin der Beklagten, die die Schwester des Erblassers ist, die Überstellung des Guthabens auf dem Tagesgeldkonto und eines Betrags von 2.000 EUR aus den Sparguthaben auf das Girokonto. Dann wurden das Tagesgeldkonto aufgelöst und die Sparkonten auf die Streithelferin umgeschrieben. Dies geschah im Hinblick auf eine notarielle Vollmachtsurkunde vom 29.4.2002, die die Streithelferin bei der Beklagten zusammen mit einer Sterbeurkunde vorlegte.

Die Urkunde war in vier Abschnitte aufgegliedert. Im ersten Teil: (Überschrift: "Pflege- und Vorsorgevollmacht") wurde die Streithelferin ermächtigt, den Erblasser "in allen Angelegenheiten in jeder rechtlich zulässigen Weise zu vertreten, also in Vermögensangelegenheiten und persönlichen Angelegenheiten". Ergänzend hieß es: "Die Vollmacht ist in Verbindung eines ärztlichen Attests gültig, in dem festgestellt wird, dass der Vollmachtgeber entweder aufgrund einer psychischen Krankheit und/oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann". Im zweiten Abschnitt der Urkunde (Überschrift: "Insbesondere Vermögensangelegenheiten") waren exemplarisch mehrere autorisierte Rechtshandlungen aufgeführt, die auch noch nach dem Tod des Erblassers sollten vorgenommen werden können. Anschließend (Überschrift: "Insbesondere persönliche Angelegenheiten") wurde die Vertretung bei der Aufenthaltsbestimmung und in gesundheitlichen Belangen geregelt. Im vierten Teil (Überschrift: "Patiententestament") ging es um sterbebegleitende Maßnahmen.

Nach der Umschreibung der Sparkonten auf ihre Person verfügte die Streithelferin weitere 10.000 EUR von den dortigen Guthaben ab. Dabei dotierte sie u.a. das Girokonto, über das sie zahlreiche Nachlassverbindlichkeiten beglich. Sie verfügte für dieses Konto über eine Bankvollmacht, die ihr der Erblasser am 26.2.2002 erteilt hatte. Das Konto wurde am 1.10.2004 aufgelöst und der seinerzeit bestehende Saldo von 991,33 EUR an den Kläger ausgekehrt.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 22.444,63 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Insoweit reklamiert er die beim Tod seines Stiefvaters vorhandenen Kontosalden, wobei er auf Einzelbeträge von 2.375,33 EUR (Tagesgeldkonto), 2.550 EUR (erstes Sparbuch) und 17.519,30 EUR (zweites Sparbuch) abgestellt hat. Er hat die Verfügungen vom 16.8. und 23.8.2004 für unwirksam erachtet.

Demgegenüber haben die Beklagte und ihre Streithelferin eingewandt, dass die Verfügungen aufgrund der notariellen Vollmacht...

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