Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuwidrige Verjährungseinrede der Staatskasse gegenüber dem Vergütungsantrag des PKH -Anwalts

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der Prozess, in dem der PKH - Anwalt beigeordnet war, wegen eines Jahre dauernden Parallelverfahrens zum Ruhen gebracht, nach dessen Ende weiterbetrieben und durch Vergleich beendet, kann die Verjährungseinrede der Staatskasse gegenüber dem erst jetzt gestellten Antrag auf Festsetzung der PKH - Vergütung des Rechtsanwalts treuwidrig und damit unbeachtlich sein.

 

Normenkette

GG Art. 3; RVG §§ 33, 45, 47, 55-56; ZPO §§ 121, 251; BRAGO § 123; BGB §§ 195, § 199 ff., § 242

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Beschluss vom 29.08.2011; Aktenzeichen 9 O 8/03)

 

Tenor

1. Der Beschluss des LG Mainz vom 29.8.2011, 9 O. 8/03 über die Ablehnung der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 8.9.2011 und die Erinnerungsentscheidung der Einzelrichterin des LG Mainz vom 13.9.2011 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses der Kammer des LG vom 23.11.2011 werden aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Festsetzungsantrag zurückverwiesen.

Das LG wird angewiesen, den Festsetzungsantrag nicht wegen der Einrede der Verjährung zurückzuweisen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der antragstellende Rechtsanwalt hat am 6.7.2011 die Festsetzung von Prozesskostenhilfegebühren von 411,59 EUR nach § 123 BRAGO aus der Staatskasse begehrt. Die Bezirksrevisorin ist dem Antrag im Namen der Staatskasse mit der Einrede der Verjährung entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 24.4.2003 hatte das LG Mainz im Verfahren 9 O 8/03 dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt und ihm Rechtsanwalt S. beigeordnet. Dieser hat seinen Vergütungsanspruch an den jetzigen Antragsteller abgetreten. Am 16.7.2003 hat das LG das Hauptsacheverfahren auf Antrag beider Parteien im Hinblick auf einen Parallelrechtsstreit nach § 251 ZPO zum Ruhen gebracht.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Erhebung der Verjährungseinrede in Anlehnung an den Erlass des nordrhein - westfälischen Justizministeriums vom 30.6.2005 (JMBl. NRW 2005, 181 unter Nr. II. 4) treuwidrig sei. Das Zuwarten mit der Geltendmachung der Vergütung habe seinen Grund in einem Parallelprozess (LG Mainz 1 O 461/02) gefunden, der erst am 15.3.2011 beendet worden sei. Dies habe zum vergleichsweisen Abschluss des vorliegenden Hauptsacheverfahrens am 16.05.2011 geführt.

Die Bezirksrevisorin ist der Auffassung, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung fünf Jahre nach deren Eintritt nicht treuwidrig sein könne.

Mit Beschluss vom 29.8.2011 hat das LG den Festsetzungsantrag abgelehnt, weil die Forderung verjährt sei. Der hiergegen gerichteten Erinnerung hat die Rechtspflegerin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 8.9.2011 nicht abgeholfen und sie dem Prozessgericht vorgelegt. Die Einzelrichterin hat die Erinnerung unter Bezugnahme auf die Ausgangsentscheidung am 13.9.2011 zurückgewiesen, ohne sich mit dem Vorbringen des Antragstellers auseinanderzusetzen. Der gegen diese Entscheidung nach den §§ 56, 33 RVG erhobenen Beschwerde hat die 9. Zivilkammer des LG in voller Besetzung mit Beschluss vom 23.11.2011 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde hat einen vorläufigen Erfolg. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nach dem derzeitigen Stand der Sach- und Rechtslage treuwidrig. Ihr steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.

Dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch verjährt ist, steht nicht im Streit und bedarf keiner näheren Ausführungen. Ebenso unstreitig ist, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch unter Außerachtlassung der Einrede der Verjährung dem Grunde nach besteht.

Der Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse ist öffentlich - rechtlicher Natur (OLG Koblenz v. 17.8.2001 - 14 W 575/01). Als solcher unterliegt er den öffentlich-rechtlichen Beschränkungen. Da die Verjährungseinrede ausdrücklich erhoben werden muss, ist sie nur wirksam, wenn dem eine ermessensfehlerfreie Entscheidung vorausgegangen ist. Der Entscheidung des Senates vom 17.8.2001 (14 W 575/01) kann nichts anderes entnommen werden. Abgesehen davon, dass ihr ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde lag, hat der Senat dort nicht festgestellt, dass die Verjährungseinrede stets erhoben werden muss. Gegenstand der Entscheidung war allein die Berechnung der Verjährungsfrist.

Ausweislich der Mitteilung der Rechtspflegerin vom 3.8.2011 hat sie keine Ermessensentscheidung getroffen. Hierauf kommt es allerdings auch nicht an, da die Verjährungseinrede durch die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse mit Zu-stimmung des Präsidenten des jeweiligen LG zu erheben ist. Abzustellen ist mithin auf deren Ermessensausübung. Die Bezirksrevisorin hat im Schreiben zur Erhebung der Einrede der Verjährung vom 23.8.2011 wie in ihrem Antrag vom 27.9.2011 eingeräumt, dass der Erlass zur Festsetzung der aus der Staats...

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