Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt die spätere Erblasserin von ihrer testamentarischen Erbin Leistungen in Anspruch, denen sie einen bestimmten Wert beimisst und die sie mit diesem Wert vergütet, muss ihre Bewertung grundsätzlich anerkannt werden; der Bewertung von Leistung und Gegenleistung durch die Parteien sind nur insoweit Grenzen gesetzt, als sie nicht auf Willkür beruhen und somit zu einer Aushöhlung des Pflichtteilsrechts führen dürfen, indem die Erblasserin erbrachte Zuwendungen mit einer, im groben Missverhältnis zu dieser Leistung stehenden Gegenleistung verknüpft und diese Gegenleistung so der Ausgleichspflicht im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsrechts entzieht.

2. Misst die spätere Erblasserin der Tatsache regelmäßiger Besuche ihrer testamentarisch vorgesehenen Erbin und der sich durch die Besuche und die Unternehmungen ihr eröffneten "Flucht aus der Eintönigkeit des Heimaufenthaltes" eine besondere Wertigkeit bei, erscheint dies verständlich und nachvollziehbar; der Ansatz eines monatlichen Betrages von 1.000 EUR als Gegenleistung für solche Besuche ist - unter Berücksichtigung der Gesamtumstände - in rechtlicher Hinsicht nicht als unverhältnismäßig zu qualifizieren.

3. Überlässt die spätere Erblasserin ihrer späteren Erbin bereits zu Lebzeiten den für die Veräußerung ihres Hauses erzielten Verkaufserlös in der sicheren Erwartungshaltung, dass sie für den Rest ihres Lebens durch die spätere Erbin "versorgt" bzw. sozial eingebunden werde, ist für die Berechnung, inwieweit in dieser Überlassung des Kaufpreises eine gemischte Schenkung zu sehen ist, der monatliche Wert der seitens der Erbin zu erbringenden Leistungen mit der allgemeinen statistischen Lebenserwartung der Erblasserin zum Überlassungszeitpunkt zu multiplizieren und um den von § 14 Abs. 1 BewG vorgesehenen Abzinsungsfaktor von 5,5 % zu reduzieren.

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 2 O 120/15)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 06.04.2020, Az. 2 O 120/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 07.10.2020.

 

Gründe

Der Klägerin steht ein mit der Klage geltend gemachter Pflichtteils- und/oder Pflichtteilsergänzungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Soweit die Klägerin mit der Berufung beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass zum Nachlassvermögen auch eine Münzsammlung gehöre, die - nach ihrer Auffassung - mit einem Wert von 25.000,00 EUR in den aktiven Nachlass einzuberechnen sei, vermag der Senat ihrer Argumentation nicht zu folgen. Die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin sind, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht hinreichend substantiiert und einer Beweiserhebung daher nicht zugänglich. Es ist weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht hinreichend dargetan, dies auch im Rahmen des Berufungsverfahrens, um welche Münzen es sich hierbei im Einzelnen handeln soll, noch sind Anhaltspunkte erkennbar, die eine materielle Bewertung dieser Nachlassposition zulassen würden. Die klägerseits unter Beweis gestellten Beobachtungen des von ihr benannten Zeugen W. sind nicht geeignet, im Falle ihrer Erweislichkeit eine Tatsachenlage zu schaffen, die belastbar die Grundlage für die Feststellung eines den Wert des Nachlassvermögens erhöhenden Sachverhalts begründen könnte. Insoweit hat das Landgericht daher zu Recht die von der Klägerin behauptete Existenz einer Münzsammlung bei der Wertberechnung außer Ansatz gelassen. Entsprechendes gilt auch hinsichtlich des klägerseits behaupteten höheren Wertes für das Mobiliar der Erblasserin. In dieser Hinsicht fehlt es auch hier an einer für die abweichende Wertbemessung erforderlichen validen Tatsachengrundlage, so dass eine Änderung der Berechnungsgrundlage in diesem Punkt nicht veranlasst war.

Auch die weitergehenden Angriffe der Berufung führen vorliegend nicht zu einer wertmäßigen Erhöhung des Nachlassvermögens und damit auch nicht zu einem weitergehenden pflichtteilserhöhenden Anspruch der Klägerin.

Soweit die Klägerin den von dem Landgericht übernommenen Wertansatz der Beklagten für die von der Erblasserin hinterlassenen Schmuckstücke in Abrede stellt und behauptet, diese seien mit einem höheren Wert von 6.300,00 EUR in das Nachlassvermögen einzubeziehen, kann die Beurteilung dieser streitigen Tatsache letztlich dahinstehen, da sich auch unter Berücksichtigung eines - im Vergleich zur Berechnung des Landgerichts - um 3.210,00 EUR höheren Wertansatzes im Ergebnis ein pflichtteilsmäßiger Auszahlungsanspruch der Klägerin nicht ergibt. Auc...

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