Verfahrensgang

LG Mainz (Beschluss vom 05.11.2012; Aktenzeichen 2 O 266/11)

 

Tenor

1. Auf die sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1., 2. und 3. wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 5.11.2012 abgeändert.

Die Ablehnungsgesuche der Beklagten zu 1., 2. und 3. gegen den Sachverständigen Prof. Dr ... [A] werden für begründet erklärt.

2. Die weiter gehenden sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1. und 2. werden zurückgewiesen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 288.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagten geltend. Sie unterzog sich am 20.6.2011 in der Klinik der Beklagten zu 1. einem chirurgischen Eingriff im Gesichtsbereich. Die Operation wurde in Vollnarkose durchgeführt. Operateur war der Beklagte zu 2.. Als Anästhesist war der Beklagte zu 3. tätig. Bei der Beklagten zu 4. handelt es sich um eine Medizinstudentin, die am Tag der Operation in der Klinik den Nachtdienst verrichtete.

Ihre Ansprüche begründet die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, mit der Verletzung von Organisations- und Überwachungspflichten im Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1. und 2., einer deliktischen Haftung des Beklagten zu 3. (ungesichertes Zurücklassen von Narkosemitteln im OP, unklare Handlungsanweisungen an die Beklagte zu 4. und unterbliebene Beschriftung einer Infusionsflasche) sowie einer fahrlässigen Verfahrensweise der Beklagten zu 4., die ihre Tätigkeit ohne ausreichende pflegerische Ausbildung ausgeübt und grob fahrlässig eine schadenverursachende Infusion verabreicht habe. Die Klägerin habe im Anschluss an die Operation auf ihrem Zimmer infolge der Infusion mit Resten einer Propofol-NaCl-Mischung einen Herz-Kreislauf-Stillstand, eine schwere hypoxische Hirnschädigung und ein klinisch-apallisches Syndrom erlitten. Sie befindet sich seitdem im Zustand des sog. "Wachkoma".

Die zuständige Kammer des LG Mainz hat mit Verfügung vom 4.4.2012 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 5.6.2012 bestimmt und zugleich auf die Absicht hingewiesen, den Sachverständigen Prof. Dr ... [A] - zuletzt Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des Klinikums ... [X] - hinzuzuladen, "damit dieser Fragen stellen, aber gegebenenfalls auch bereits mündlich ein Gutachten erstellen" (könne). Mit E-Mail vom gleichen Tage hat der Kammervorsitzende den Sachverständigen um die Übernahme der Begutachtung gebeten. Er hat ihn unterrichtet, es gehe "um Fragen der Anästhesie, aber auch um Fragen der Krankenhausorganisation wie etwa derjenigen, ob es zulässig sein könne, dass eine Medizinstudentin im 10. Fachsemester mit einer frisch operierten Patientin alleine gelassen werden darf". Es sei begrüßenswert, wenn zu diesem Termin bereits ein Sachverständiger anwesend sein könnte, um die richtigen medizinischen Fragen zu klären, aber auch zur Erstattung eines mündlichen Gutachtens. Am 26.4.2012 erfolgte eine Terminsverlegung auf den 14.8.2012 und die Versendung der Akten an den Sachverständigen zur weiteren Vorbereitung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14.8.2012 erging ein Beweisbeschluss der Kammer zur Behauptung der Klägerin, die "von der Beklagten zu 1. angebotene und von den Beklagten zu 2. bis 4. ausgeführte medizinische Behandlung vom 20.6.2011 habe in medizinisch-organisatorischer und anästhesiologischer Hinsicht nicht dem medizinischen Standard entsprochen". Mit der Erstattung des mündlichen Sachverständigengutachtens wurde der anwesende Sachverständige Prof. Dr ... [A] beauftragt. Es schloss sich das mündliche Gutachten unter Verwendung einer PowerPoint-Präsentation im Umfang von insgesamt 210 Seiten an. Die Präsentation wurde den Parteivertretern nach der Verhandlung zugeleitet. Im Termin selbst wurde ihnen zur Stellungnahme auf das Gutachten ein Schriftsatznachlass bis zum 16.10.2012 gewährt.

Mit ihren Schriftsätzen vom 11.10.2012 und 16.10.2012, jeweils beim LG am 16.10.2012 eingegangen, haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. und 2. Anträge auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit gestellt. Im Schriftsatz vom 11.10.2012 wurde zudem beantragt, das vom Sachverständigen erstellte Gutachten für unverwertbar zu erklären mit der Folge, dass der Gutachter seinen Entschädigungsanspruch verliere. Nach antragsgemäßer Verlängerung der Stellungnahmefrist für den Beklagten zu 3. bis 25.10.2012 hat dieser mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten am 25.10.2012 den Sachverständigen ebenfalls wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Zur Begründung haben die Beklagten im Wesentlichen vorgetragen, die Besorgnis der Parteilichkeit folge bereits aus dem Internetauftritt des Sachverständigen. Mittelpunkt seiner Homepage seien nahezu ausschließlich geschädigte Patienten. Er verweise darauf, "aus der Sicht des patientennahen Arztes" zu sprechen. Es werde auf "Patientenschädigungen in Gegenwart kostensparender, erlössteigernder, lebensgefährdender Organisationen der Patientenversorgung infolge von...

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