Entscheidungsstichwort (Thema)

Reisekosten einer Partei mit Wohnsitz in Amerika

 

Leitsatz (amtlich)

1. Parteireisekosten zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen sind in der Regel erstattungsfähig. Das gilt auch dann, wenn die Partei aus Übersee (hier: USA) anreist, um sich zur absehbaren Anhörung der Gegenseite und einer Zeugenaussage äußern zu können.

2. Indiziert eine Verfügung des Richters, dass er die Anwesenheit der Partei für erforderlich hielt, darf der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren deren persönliches Erscheinen nicht als Rechtsmissbrauch ansehen.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 139, 141, 278-279

 

Verfahrensgang

LG Trier (Beschluss vom 09.08.2010; Aktenzeichen 5 O 184/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Trier vom 9.8.2010 (5 O 184/08) werden die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 4.681,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.8.2010 festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Der Beschwerdewert wird auf 3.762,25 EUR (28 EUR + 3.734,25 EUR) festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist hinsichtlich der Absetzung der Kopierkosten unbegründet, im Übrigen begründet. Der Beklagten steht ein um 3.734,25 EUR erhöhter Erstattungsbetrag zu.

1. Kopierkosten

Weder die Darlegungen im Kostenfestsetzungsantrag und den nachfolgenden Schriften noch das Beschwerdevorbringen begründen eine Erstattungsfähigkeit von 70 (weiteren) Kopien. Es ist nicht ersichtlich unter welcher Nummer und Buchstaben der VV 7000 RVG der Bevollmächtigte die Erstattungsfähigkeit begründet haben will.

Die Gerichtsakte selbst umfasst bis zur Streitwertfestsetzung überhaupt nur 174 Seiten. Die Erforderlichkeit von insgesamt 170 Kopien, erschließt sich danach nicht. Darauf hat die Rechtspflegerin in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen ("Keine der Ausnahmen der VV 7000 RVG ist erfüllt"). Die Beschwerdebegründung hat dem nichts Stichhaltiges entgegengesetzt.

2. Reisekosten der Partei

Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass der Senat in ständiger Rechtsprechung die Reisekosten einer Partei für erstattungsfähig erachtet. Der Grund für diese Auffassung liegt darin, dass der Grundsatz der Mündlichkeit in einer Gerichtsverhandlung mit Rede und Gegenrede seine ureigenste Ausprägung findet und der Partei auch im Anwaltsprozess auf Antrag das Wort zu erteilen ist (§ 137 Abs. 4 ZPO). Die persönliche Anwesenheit der Partei ist vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Gerichts, über die Güteverhandlung (§ 278 Abs. 2 ZPO) hinaus in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken (§ 278 Abs. 1 ZPO), und der materiellen Prozessleitungspflicht des Gerichts, die sich insbesondere durch die Ausübung des Fragerechts in der mündlichen Verhandlung verwirklicht (§§ 279 Abs. 3, 139 ZPO), aus Gründen der Prozessökonomie vielfach sachgemäß und zielführend. Schlichtungsbemühungen des Gerichts und die erschöpfende Wahrnehmung der richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht gelingen nicht selten am ehesten, wenn das Gericht unmittelbar mit den Parteien das Streitverhältnis und das Für und Wider einer einvernehmlichen Lösung in der mündlichen Verhandlung erörtert. Darauf muss sich auch eine Partei einstellen, die eine ausländische Partei im Wege der Klage in Anspruch nimmt. Sie muss die Grundsätze bei der Betrachtung ihres Prozesskostenrisikos einbeziehen.

Mit diesen Grundsätzen sind aber zugleich die Grenzen der Erstattungsfähigkeit beschrieben. Ausnahmsweise kommt mithin eine Erstattung der Reisekosten nicht in Betracht, wenn eine gütliche Einigung von vornherein ausscheidet, ein Aufklärungsbedürfnis des Gerichtes nicht ersichtlich ist, weil nur Rechtsfragen zu beantworten sind und auch aus sonstigen Gesichtspunkten eine Teilnahme gänzlich untunlich erscheint. Diese Ausnahmen sind vorliegend allerdings entgegen der Auffassung des LG nicht gegeben.

Auch wenn die Klägerin vorträgt, dass vorgerichtliche Bemühungen um eine gütliche Einigung gescheitert sind, hat das LG sowohl für den ursprünglichen Termin am 13.1.2010 als auch für die beiden hier betroffenen Termine am 15.04. und am 17.6.2010 zur Güteverhandlung geladen (Bl. 129, 138 und 149 GA). Die Beklagte hat mit dem Schriftsatz vom 9.12.2009 angekündigt, zum Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung persönlich erscheinen zu wollen (Bl. 133 ff. GA). Dabei hat sie auf den weiten Anreiseweg, ihre besonderen Beschwerlichkeiten und weiteren Aufwand hingewiesen. Gleichzeitig hat sie ausgeführt, dass sie an den Terminen teilnehmen möchte, um zur Aufklärung des umfangreichen Sachverhaltes beizutragen. Dem haben weder das Gericht noch die Klägerin widersprochen. Im Gegenteil: Das LG hat gerade vor dem Hintergrund des Wunsches der Beklagten den ursprünglichen Termin vom 13.01. auf den 15.4.2010 verlegt. Die Beklagte durfte deshalb davon ausgehen, ...

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