Entscheidungsstichwort (Thema)

Betäubungsmittel. Betäubungsmitteleigenschaft. Besitz. Betäubungsmittelanhaftungen. Betäubungsmittelutensilien. Gerine Menge. Konsumfähigkeit. Einziehung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffes wird gemäß § 1 Abs. 1 BtMG allein durch seine Aufnahme in die Positivlisten der Anlagen I bis III begründet, ohne dass es zusätzlich einer konkreten Berauschungsqualität oder Konsumfähigkeit bedürfte. Die Betäubungsmitteleigenschaft geht erst dann verloren, wenn die Anhaftungen oder Rückstände nicht mehr zu einer messbaren Wirkstoffmenge zusammengefasst werden können.

2. Der Besitz von Betäubungsmittelutensilien mit Betäubungsmittelanhaftungen von so geringer Menge, dass sie für sich allein zum menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sind, stellt keinen strafbaren Besitz an Betäubungsmitteln dar. Für eine Eignung zum Konsum genügt die Feststellung einer noch wiegbaren Betäubungsmittelmenge mit nachweisbarem Wirkstoffgehalt, die in konsumierbarer oder zumindest dahin übertragbarer Form vorliegt.

3. Dass ein Urteil keine Ausführungen zur Ermessensausübung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG enthält, ist unschädlich, wenn nach den Umständen des Falles eine Ausübung des Ermessens dahin, dass die sichergestellten Betäubungsmittel wieder freigegeben werden, nicht ohne Rechtsfehler möglich ist.

 

Normenkette

BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3, § 33 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Westerburg (Entscheidung vom 16.07.2013; Aktenzeichen 2090 Js 35988/13)

GStA Koblenz (Aktenzeichen 3 Ss 156/14)

StA Koblenz (Aktenzeichen 2090 Js 35988/13)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Westerburg vom 16. Juli 2014 wird als offensichtlich unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass die Liste der angewendeten Vorschriften wie folgt gefasst wird:

§§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage III, 3 Abs. 1, 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG, 56 StGB

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Westerburg hat den Angeklagten am 16. Juli 2014 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und die sichergestellten 70 mg Amphetamin eingezogen.

Am 19. August 2013 waren bei einer richterlich angeordneten Durchsuchung der Wohnung des einschlägig vorbestraften Angeklagten, der in einer Bewährungszeit weiterhin Drogenkontakt gehabt hatte, vier Zipp-Tütchen, zwei Glasspiegel und zwei Nürburgring-Karten mit Anhaftungen von 70 mg Amphetamin sichergestellt worden. Das abgekratzte Betäubungsmittel hatte einen Amphetaminbasegehalt von 21,6%. Eine betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis für den Erwerb lag nicht vor.

Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und vertritt dabei die Auffassung, bei der von zwei Spiegeln abgekratzten Drogenmenge handele es sich um eine Kleinstmenge, die nicht mehr den Straftatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln erfülle.

II.

Das als Sprungrevision gemäß §§ 335 Abs. 1, 312 StPO statthafte, in zulässiger Weise form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) Rechtsmittel ist dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Schuldspruch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG hält rechtlicher Überprüfung stand. In der Begründung weicht der Senat von der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ab, die nicht streng zwischen Betäubungsmitteleigenschaft der Anhaftungen an Betäubungsmittelutensilien und Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes unterscheidet und deshalb davon ausgeht, die obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Strafbarkeit des Besitzes von Betäubungsmittelutensilien mit Betäubungsmittelanhaftungen sei nicht einheitlich. Das ist jedoch nicht der Fall.

a) Die Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffes wird gemäß § 1 Abs. 1 BtMG allein durch seine Aufnahme in die Positivlisten der Anlagen I bis III begründet, ohne dass es zusätzlich einer konkreten Berauschungsqualität oder Konsumfähigkeit bedürfte (BayObLG, Urteil 4St RR 80/02 vom 25.09.2002, Rn. 15 zit. n. [...], NStZ 2003, 270; OLG München, Beschluss 4St RR 143/09 vom 06.10.2009, Rn. 7 zit. n. [...], NStZ-RR 2010, 23; OLG Düsseldorf, Beschluss 5 Ss 127/92 vom 15.04.1992, Rn. 10 zit. n. [...], NStZ 1992, 443). Die Betäubungsmitteleigenschaft geht nicht mit einer fehlenden Konsumfähigkeit, sondern erst dann verloren, wenn die Anhaftungen oder Rückstände nicht mehr zu einer messbaren Wirkstoffmenge zusammengefasst werden können (OLG München a.a.O. m.w.N.).

Da Amphetamin in der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt ist und eine Wirkstoffmenge bestimmt werden konnte, fehlt es an der Betäubungsmitteleigenschaft nicht.

b) Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist,...

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