Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung wegen der Nutzung der vormaligen Ehewohnung während der Trennungszeit können nicht titulierte Trennungsunterhaltsansprüche weder im Wege der Aufrechnung noch mittels Widerantrags geltend gemacht werden. Ein solcher Widerantrag ist jedoch nicht als unzulässig abzuweisen, sondern abzutrennen; in der Beschwerdeinstanz setzt dies allerdings einen Antrag auf Zurückverweisung voraus.

2. Einkommensunterschiede sind regelmäßig im Rahmen des nachehelichen Unterhalts nicht mehr auszugleichen, wenn angemessene Eigenbedarf (= Selbstbehalt) des Unterhaltsberechtigten gewahrt ist und die Einkommensdifferenz weniger als 10% der bereinigten beiderseitigen Nettoeinkünfte beträgt. Auch wenn diese Grundsätze auf den Trennungsunterhalt nicht angewendet werden, so gewinnt dieser Gesichtspunkt doch für die Frage, ob ein Trennungsunterhalt nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB wegen Verwirkung vollständig zu versagen ist, an Bedeutung.

3. Zur Verwirkung von Unterhalt wegen der Erstattung von berechtigen bzw. unberechtigten Strafanzeigen/Anzeigen wegen Steuerhinterziehung.

 

Normenkette

BGB §§ 387, 1361, 1361b Abs. 3 S. 2, § 1579 Nrn. 3, 5; FamFG § 69 Abs. 1 S. 3, § 112

 

Verfahrensgang

AG Westerburg (Aktenzeichen 42 F 31/16)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Westerburg vom 13.12.2018, Aktenzeichen 42 F 31/16 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 13.865,00 EUR Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Juli 2015 bis einschließlich Dezember 2017 zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 16.03.2019.

2. Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

4. Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 29.400,00 EUR festgesetzt.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.640,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind getrenntlebende Eheleute und beide von Beruf Ärzte. Der Antragsteller war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Mitte 2015 bis Ende 2017 als angestellter Kinderorthopäde in der A. Klinik in S. beschäftigt. Die Antragsgegnerin ging einer selbständigen Tätigkeit in ihrer eigenen Praxis nach. Die Beteiligten haben 2002 geheiratet und leben spätestens seit März 2015 (= Auszug des Antragstellers) voneinander getrennt. Der Scheidungsantrag wurde am 13.01.2016 zugestellt.

Aus der Ehe sind drei minderjährige Kinder (A., × 25.03.2003; V., × 21.11.2004; M., × 26.09.2008) hervorgegangen, die im Haushalt der Antragsgegnerin leben. Der Antragsteller zahlt für die Kinder Kindesunterhalt entsprechend der Düsseldorfer Tabelle.

Die Beteiligten haben im Jahre 2006 ein im Jahre 1992 errichtetes Hausanwesen in der J. Straße 3, H., zu je 1/2 Miteigentum erworben. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Antragsgegnerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Juli 2015 bis Dezember 2017 in Anspruch genommen.

Die Antragsgegnerin hat ihrerseits mit Eventualwiderantrag zunächst Einkommensauskünfte und sodann Trennungsunterhaltsansprüche in Höhe von 880,00 EUR monatlich ab Juli 2015 bis Dezember 2017 geltend gemacht.

Der Antragsteller verteidigte sich gegen die geltend gemachten Unterhaltsansprüche mit dem Verwirkungseinwand, wobei er diesen vor allem mit einer Anzeige der Antragsgegnerin vom 03.08.2015 wegen Steuerhinterziehung begründete. Aufgrund ihrer Vorwürfe sei gegen ihn nicht nur ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden, bei dem u. a. seine Büroräume bei seinem Arbeitgeber durchsucht worden seien. Vielmehr habe die Antragsgegnerin ihm auch ein Suchtproblem und Geschlechtskrankheiten angedichtet. Es sei ihr darum gegangen, ihn in jeder Hinsicht zu diskreditieren. Ihr Vorgehen gleiche einem Vernichtungsfeldzug. Auch sei die Antragsgegnerin, wie sich aus den zuletzt vorgelegten Einkommensnachweisen ergebe, unter Berücksichtigung des Nutzungsvorteils eines PKWs sowie des anteiligen Wohnwertvorteils nicht unterhaltsbedürftig. Im Übrigen habe sie die von ihr behauptete Einkommenssituation immer noch nicht ausreichend belegt, ihr Unterhaltsanspruch sei daher nicht schlüssig dargetan.

Die Antragsgegnerin meinte, sie habe bei der Erstattung der Anzeige in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, da der Antragsteller sich nur unzureichend zu seinen Einkünften und zu seinem Vermögen erklärt habe. Ihr Vorgehen sei daher zur Sicherung ihrer Unterhalts- und güterrechtlichen Ansprüche erforderlich gewesen. Dementsprechend sei ein gegen sie mit dem Vorwurf der falschen Verdächtigung eingeleitetes Ermittlungsverfahren auch eingestellt worden. Im Mittel sei bei ihr von Einkünften in Höhe von 107.407,00 EUR jährlich auszugehen.

Das Familiengericht hat Beweis erhoben über den Wohnwert der gemeinsamen Immobilie durch E...

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