Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 16 O 338/19)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt.

 

Gründe

Die Voraussetzungen einer Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind gegeben. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Das Landgericht hat die Klage in dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus der Wohngebäudeversicherung sowie die verfolgten Nebenforderungen gegen die Beklagte nicht zu, da die von dem Leitungswasserschaden betroffene Wohnung im maßgeblichen Zeitraum von Mai 2018 bis Februar 2019 nicht vermietet war.

Unstreitig - und durch das Landgericht mit Tatbestandswirkung festgestellt (LGU 2) - finden auf das Versicherungsvertragsverhältnis der Parteien die vom Kläger vorgelegten Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen VGB 88, Stand 1/95 (künftig VGB 88) Anwendung (Anlage K2). Der Anspruch auf Ersatz von Mietausfällen bei fremdvermietetem Wohnraum richtet sich nach § 3 Ziff. 1a) VGB 88, wonach die Leistungspflicht der Beklagten voraussetzt, dass dem Kläger als Versicherungsnehmer ein Ausfall durch eine infolge des Versicherungsfalls berechtigte Mietminderung oder Verweigerung der Mietzahlung eines Mieters entstanden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt hieraus nicht, dass ihm auch Schaden wegen unterbliebener Vermietung zu ersetzen ist.

1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 - IV ZR 23/17, VersR 2018, 808 m.w.N). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich wegen des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers zunächst am Wortlaut der hierfür maßgeblichen Versicherungsklausel - hier § 3 Ziff. 1a) VGB 88 - orientieren (BGH, a.a.O.).

Aus dem Wortlaut von § 3 Ziff. 1a) VGB 88 folgt bereits zwanglos, dass der Mietausfall vom Versicherer ersetzt wird, "wenn Mieter von Wohnräumen infolge eines Versicherungsfalls berechtigt sind, die Zahlung der Miete ganz oder teilweise zu verweigern" (Hervorhebung durch Senat). Die Ersatzpflicht des Versicherers greift danach nur ein, wenn ein Mieter die geschädigte Wohnung tatsächlich bewohnt und die Mietzahlung berechtigt verweigert hat. Würde auch ein Schaden ersetzt, obgleich eine Vermietung durch den Versicherungsnehmer nur beabsichtigt war, müsste die Klausel konjunktiviert lauten, dass auch ein Schaden ersetzt wird, wenn ein potentieller Mieter berechtigt wäre, eine Mietzahlung zu verweigern. Dies beträfe den Ersatz eines hypothetischen Mietausfalls, also des Mietwerts der Wohnung. Dieser vom tatsächlichen Mietausfall nach § 3 Ziff. 1a) VGB 88 zu unterscheidende ortsübliche Mietwert wird indes nur nach § 3 Ziff. 1b) VGB 88 ersetzt, wenn infolge des Versicherungsfalls Wohnräume unbenutzbar geworden sind, die der Versicherungsnehmer selbst bewohnt. Unbestritten bewohnte der Kläger die geschädigte Souterrainwohnung indes nicht selbst.

Angesicht dieses eindeutigen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers unmissverständlichen Wortlauts der im Wesentlichen seit Jahrzehnten unveränderten Klausel der VGB entspricht es auch allgemeiner Meinung, dass ein Schaden nur ersetzt wird, wenn sich der Mietausfall auf die zum Zeitpunkt des Schadens bereits vermietete Wohnung bezieht. Der Mieter muss aufgrund des Versicherungsfalls die Zahlung der Miete ganz oder teilweise verweigern können und dies auch tatsächlich tun. Die theoretische Möglichkeit einer Mietminderung genügt nicht (vgl. nur Hoenicke in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Auflage 2020, § 4 Wohngebäudeversicherung, Rn. 63; Rüffer in: Beckmann/Matusche/Beckmann, Versicherungsrecht-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 32 Hausrat- und Wohngebäudeversicherung Rn. 269; Armbrüster in: Prölls/Martin, 30. Auflage 2018, VGB A. § 9 Mietausfall, Mietwert Rn. 2; OLG Schleswig, Urteil vom 31. Juli 2008 - 16 U 10/08, NJW-RR 2009, 307).

Anderes kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch dem für ihn erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel des § 3 ...

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