Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortwirkung eines zurzeit der Minderjährigkeit eines Kindes ergangenen Unterhaltstitels über die Volljährigkeit hinaus

 

Leitsatz (amtlich)

Ein zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ergangener Titel über die Zahlung von Kindesunterhalt, gilt fort, wenn das Kind volljährig wird, weil sich hierdurch am Grund der Unterhaltsverpflichtung, nämlich der Verwandtschaft in gerader Linie (§ 1601 BGB), nichts ändert. Gleiches gilt für den Fall, dass das Kind heiratet, weil hierdurch der Anspruch nicht erlischt sondern der bisher Unterhaltspflichtige lediglich im Rang hinter den Ehegatten zurücktritt (§ 1608 BGB). Die Tatsache, dass das Kind volljährig geworden ist und/oder geheiratet hat, kann daher nicht mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden.

Dem Unterhaltspflichtigen bleibt es aber unbenommen, die durch die Volljährigkeit des Kindes eintretenden Änderungen der Verhältnisse im Wege der Abänderungsklage geltend zu machen. Im Hinblick auf die seit Volljährigkeit erhöhte Erwerbsobliegenheit des Kindes und die seither bestehende Mithaftung des anderen Elternteils für den Barunterhalt, ist das volljährig gewordene Kind in diesem Verfahren darlegungs- und beweispflichtig sowohl dafür, dass der Unterhaltsanspruch fortbesteht, als auch für den Umfang der Mithaftung des anderen Elternteils. Gleiches gilt für die durch die Eheschließung des Kindes eintretenden Änderungen.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1608

 

Verfahrensgang

AG Westerburg (Beschluss vom 15.09.2006; Aktenzeichen 41 F 634/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des AG - FamG - Westerburg vom 15.9.2006 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist 1996 zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Beklagte, seine damals minderjährige Tochter, verurteilt worden. Am 7.4.2005 wird die Beklagte volljährig und am 10.2.2006 heiratet sie. Die Tochter betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltstitel wegen Unterhaltsrückständen, die bis zur Eheschließung aufgelaufen sind, und erklärt, für die Zeit nach Eheschließung keine Rechte mehr hieraus herzuleiten.

Daraufhin erhebt der Vater im Sommer 2006 Vollstreckungsgegenklage mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsurteil rückwirkend ab Volljährigkeit der Tochter für unzulässig zu erklären. Hilfsweise verfolgt er sein Begehren im Wege der Abänderungsklage.

 

Entscheidungsgründe

Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das FamG hat im Ergebnis zu Recht die für die beabsichtigte Klage begehrte Prozesskostenhilfe verweigert.

Zutreffend verweist das FamG zunächst darauf, dass die vom Kläger in erster Linie verfolgte Vollstreckungsgegenklage nicht die richtige Klageart ist. Mit einer solchen Klage können gem. § 767 Abs. 1 ZPO Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, geltend gemacht werden. Streitgegenstand einer solchen Klage ist die gänzliche oder teilweise, endgültige oder zeitweilige Vernichtung der Vollstreckbarkeit des Titels aufgrund einer nach seinem Erlass entstandenen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden materiell-rechtlichen Einwendung (vgl. Zöller/Stöber/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 767 Rz. 1). Hierzu zählen die zur Klagebegründung vorgebrachten Umstände, dass die Beklagte am 7.4.2005 volljährig geworden ist und im Februar 2006 - ausweislich der Angaben des Klägers ggü. dem AG Wittmund wohl am 10.2.2006 - geheiratet hat, nicht. Die Unterhaltspflicht eines Elternteils gegenüber seinen Kindern beruht nach § 1601 BGB darauf, dass er mit ihnen in gerader Linie verwandt ist. Hieran ändert sich weder etwas durch die Vollendung des 18. Lebensjahres, noch durch die Eheschließung des Kindes. Zwar gelten für die Unterhaltsansprüche gegenüber minderjährigen Kindern gesetzliche Besonderheiten (§§ 1602 Abs. 2, 1603 Abs. 2, 1609 Abs. 1, 1611 und 1612a BGB), und gem. § 1608 BGB haftet mit der Eheschließung der Ehegatte des Bedürftigen vor dessen Verwandten. Jedoch rechtfertigen diese Besonderheiten es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht, den Unterhaltsanspruch des volljährig gewordenen Kindes gegen seine Eltern als eigenständigen Anspruch aufzufassen, der mit dem zuvor während der Minderjährigkeit bestehenden Anspruch keine Einheit mehr bildet (vgl. BGH v. 21.3.1984 - IVb ZR 72/82, MDR 1984, 1012 = FamRZ 1984, 682 und BGH v. 2.3.1994 - XII ZR 215/92, MDR 1994, 1013 = FamRZ 1994, 696; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 339). Die durch die Volljährigkeit oder eine Heirat des Kindes eintretenden Änderungen hinsichtlich des titulierten Unterhaltsanspruchs haben nicht generell eine andere Wirkung als sonstige wesentliche Änderungen derjenigen Verhältnisse, die für die Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen maßgebend gewesen sind. Zur Geltendmachung solcher Änderungen sieht das Gesetz die Abänderungsklage vor. Die Notwendigkeit von Modifizierungen der Unterhaltspflicht ...

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