Leitsatz (amtlich)

1. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin zu Beginn der Ehe von der seinerzeit noch bestehenden Möglichkeit einer sogenannten Heiratserstattung Gebrauch gemacht hat und dann während der Ehezeit entsprechende Beiträge nachentrichtet hat, vermag schon vom Ansatz her keine grobe Unbilligkeit im Sinne von § 27 VersAusglG zu begründen.

2. Versorgungsanwartschaften, die durch während der Ehezeit für vor der Ehezeit liegende Zeiträume nachentrichtete freiwillige Beiträge erworben worden sind, sind in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

3. § 27 VersAusglG bewirkt keinen dahingehenden Automatismus, dass nicht beitreibbare Forderungen der Ehegatten untereinander mit den im Wege des Versorgungsausgleichs auszugleichenden Versorgungsanrechten zu verrechnen wären.

4. Ist ein Anrecht nicht im Versorgungsausgleich, sondern bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen, kann dem Zugewinnausgleich im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz eine entsprechende kompensatorische Bedeutung zukommen.

 

Normenkette

VersAusglG § 27

 

Verfahrensgang

AG Trier (Beschluss vom 03.04.2019; Aktenzeichen 9 F 186/05)

 

Tenor

Die gegen mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 3. April 2019 erfolgten Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Ziffer 2. des Tenors) gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.410,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige - insbesondere statthafte (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie form- (§ 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG) und fristgerecht (§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 FamFG) eingelegte - Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Denn das Familiengericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Versorgungsausgleich insgesamt durchgeführt und ihn nicht gemäß § 27 VersAusglG - teilweise oder gänzlich - ausgeschlossen.

Die schematische Halbteilung aller - auch der antragstellerseits erworbenen - Versorgungsanrechte stellt sich nicht als grob unbillig im Sinne der vorzitierten Norm dar. Dies gilt auch in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Antragsgegners und der hieraus folgenden Nicht-Realisierbarkeit ihm gegenüber bestehender Zugewinnausgleichsansprüche sowie in Anbetracht des Umstandes, dass die Antragstellerin einen Teil der auszugleichenden Anrechte nach einer sogenannten Heiratserstattung durch Nachentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung während der Ehezeit erworben hat.

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist vom Gesetzgeber bewusst nur in engen Grenzen vorgesehen worden, die mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der "groben Unbilligkeit" in § 27 VersAusglG umrissen werden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 1 UF 297/15 -, juris, Rdnr. 58). Eine Korrektur von Berechnungsergebnissen, die als ungerecht oder sonst wie unangebracht empfunden werden können, ist auf diesem Wege hingegen nicht zu erreichen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 13 UF 137/15 -, juris, Rdnr. 12; OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juli 2015 - 11 UF 258/15 -, juris, Rdnr. 13; Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger-Breuers, jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 27 VersAusglG, Rdnr. 6). Es muss sich um Umstände mit Ausnahmecharakter handeln, die so schwer wiegen, dass der Halbteilungsgrundsatz als nachrangig zurückzutreten hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 1 UF 297/15 -, juris, Rdnr. 58). Vorausgesetzt wird, dass die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs dem mit diesem Rechtsinstitut verfolgten Grundgedanken, eine gleichberechtigte Teilhabe zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehe keine Versorgung hat aufbauen können, eine eigene Alterssicherung zu gewährleisten, in geradezu unerträglicher Weise widerspräche (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 898, 899, Rdnr. 16, m.w.N.; NJW 1982, 989, 990; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. September 2015 - 6 UF 73/15 -, juris, Rdnr. 17; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20. März 2013 - 6 UF 44/13 -, juris, Rdnr. 14; Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger- Breuers, jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 27 VersAusglG, Rdnr. 8; MünchKomm-Dörr, BGB, 7. Aufl. 2017, § 27 VersAusglG, Rdnr, 15). Dies ist der Fall, wenn die hälftige Partizipation an den jeweils erworbenen Versorgungsanwartschaften zur Prämierung einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde (vgl. BGH, NJW 2016, 3722, 3723, Rdnr. 20; 2015, 1599, 1600, Rdnr. 17; 2014, 61, 63, Rdnr. 25; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.). Die Hürde für die Annahme einer groben Unbilligkeit ist hierbei höher anzusetzen als diejenige für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB oder § 1579 BGB (vgl. BGH, NJW 1981, 1733, 1734; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 13 UF 137/15 -, juris, Rdnr. ...

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