Leitsatz (amtlich)

1. § 15a RVG ist in allen noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren unmittelbar anwendbar.

2. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 15a RVG im Kern eine Rechtsprechung bei aus seiner Sicht unveränderter Gesetzeslage ändern und nicht das Gesetz selbst, so dass § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nicht anwendbar ist (ebenso OLG Stuttgart v. 11.08.2009, 8 W 339/09 gegen LAG Hessen v. 07.07.2009, 13 Ta 320/09).

 

Normenkette

RVG §§ 15a, 60 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 26.02.2009; Aktenzeichen 5 O 187/07)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Koblenz vom 26.02.2009 teilweise geändert. Die von den Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 1.224,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.224,60 EUR seit dem 28.01.2009 festgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im übrigen tragen die Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 305,15 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Gegen die Form und Frist der Beschwerde sind keine Einwendungen zu erheben. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, übersteigt der Beschwerdewert die maßgebliche Grenze des § 567 Abs. 2 ZPO.

2. Der angefochtene Beschluss ist schon deshalb zu ändern, weil der Rechtspfleger zumindest bei seiner Nichtabhilfeentscheidung die jüngste Rechtsprechung des Senates zur Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht berücksichtigt hat (Senat v. 23.06.2009, 14 W 380/09). Tatsächlich kommt es hierauf allerdings nicht mehr an, weil aufgrund der Einführung des § 15a RVG der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr die Grundlage entzogen ist.

3. Im vorliegenden Verfahren ist die Geschäftsgebühr nach § 15a Abs. 2 RVG in der Fassung vom 04. August 2009 (BGBl. I 2009, 2449, 2470, Art 7 Abs. 4 Nr. 3) im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr anzurechnen. Die Vorschrift ist nach Art 10 S. 2 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften am Tage nach der Verkündung und somit am 05. August 2009 in Kraft getreten.

§ 15a Abs. 1 RVG regelt das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber. Es wird klargestellt, dass aufeinander anzurechnende Gebühren zunächst unabhängig voneinander in voller Höhe entstehen. Der Anwalt kann grundsätzlich jede abzurechnende Gebühr in vollem Umfang geltend machen. Allerdings bewirkt die Zahlung einer Gebühr, dass im Umfang der Anrechnung die andere Gebühr erlischt. Dem Anwalt stehen nicht beide Gebühren zu, sondern insgesamt nur der um die Anrechnung verminderte Gesamtbetrag.

Im vorliegenden Fall ist eine Geschäftsgebühr angefallen, wobei dahinstehen kann, ob nach Nr. 2300 VV RVG oder nach Nr. 2503 VV RVG. Ebenso unstreitig ist im Rechtsstreit eine 1,3-Verfahrensgebühr entstanden. In beiden Fällen (Nr. 2300 oder Nr. 2503 VV RVG) sieht das Gesetz eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Rechtsstreites vor (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG und Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG). Nach § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt nunmehr jede Gebühr zunächst ungekürzt fordern, was zur Konsequenz hat, dass im Kostenfestsetzungsverfahren die Geschäftsgebühr nicht mehr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

§ 15a Abs. 2 RVG schränkt das Forderungsrecht allerdings auf Einwand eines Dritten, im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten also des erstattungspflichtigen Prozessgegners, ein. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dass die Beklagten die außergerichtlich bei der Klägerin angefallene Geschäftsgebühr beglichen haben, wird nicht behauptet. Ausweislich der Klageschrift sowie der weiteren bestimmenden Schriftsätze und der Schadensberechnungen (Bl. 2, 3, 64, 93, 94, 132-135 GA) ist die Geschäftsgebühr im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht worden. Es besteht auch kein Anhalt, dass die Geschäftsgebühr bereits in dem verfahrensbeendenden Vergleich mit tituliert wurde. Die von dem Vergleich erfassten Ansprüche hat der Bevollmächtigte der Beklagten in seinem Schriftsatz vom 15.08.2008 zusammengefasst (Bl. 133 GA). Die Geschäftsgebühr hat hier keine Erwähnung gefunden

Die Regelung des § 15a RVG findet nach Auffassung des Senates in allen noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren Anwendung, da sie am 05.08.2009 unmittelbar in Kraft getreten ist (ebenso OL...

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