Leitsatz (amtlich)

Ein Befreiungsanspruch ist trotz eigener Fälligkeit nach § 257 Satz 2 BGB erst dann i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, wenn auch die Verbindlichkeit fällig ist, auf die er sich bezieht.

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 1, § 257 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 08.05.2008; Aktenzeichen 3 O 307/07)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 05.05.2011; Aktenzeichen 1 BvR 2018/10)

BGH (Urteil vom 05.05.2010; Aktenzeichen III ZR 209/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Baden-Baden vom 8.5.2008 - 3 O 307/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, 2.103.788,87 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.6.2007 an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

V. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 2.103.788,87 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die klagende Bank nimmt die Beklagte als mittelbare Gesellschafterin zweier Immobilienfonds wegen restlicher Darlehensverbindlichkeiten der beiden Fondsgesellschaften in Anspruch.

In den Jahren 1993 und 1996 zeichnete die Beklagte gemeinsam mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen und von ihr allein beerbten Ehemann rund 80 % des Gesellschaftskapitals der A. Zweite Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. K. Fünfte Fonds OHG und rund 96 % des Gesellschaftskapitals der A. Zweite Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. K. Neunzehnte Fonds OHG. Dabei machte sie von der Möglichkeit Gebrauch, sich nicht unmittelbar, sondern über die B. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH als Treuhänderin an den Fondsgesellschaften zu beteiligen. Die in Kenntnis der Beteiligungsprospekte unterzeichneten Beitrittserklärungen enthalten u.a. folgende Klausel:

Mir/Uns ist bekannt, dass ich/wir über die Verpflichtung zur Leistung der in dieser Beitrittserklärung vereinbarten Zahlungen hinaus mit meinem/unserem sonstigen Vermögen ggü. den Gläubigern der Gesellschaft ... hafte(n).

Nach § 7 Nr. 3 der beiden nahezu gleichlautenden Gesellschaftsverträge können die gesellschaftsvertraglichen Rechte auch von den Treugebern wahrgenommen werden, und nach den - ebenfalls weitgehend identischen - Regelungen der Treuhandverträge, auf die dort verwiesen wird, übt der Treugeber insbesondere seine Stimm- und Auskunftsrechte grundsätzlich selbst aus. Außerdem ist in den Treuhandverträgen bestimmt, dass der Treugeber die Einlage direkt an die Gesellschaft zu leisten hat und dass der Treuhänder die Ansprüche auf Auszahlung von Gewinn, Auseinandersetzungsguthaben und Liquidationserlös von vornherein an ihn abtritt. § 6 dieser Verträge lautet:

Übertragung

1. Die Rechte und Pflichten aus dem Treuhandverhältnis können nur insgesamt übertragen werden. Die Übertragung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Treuhänders. Der Treugeber hat die Übertragung unverzüglich dem Geschäftsführer der Gesellschaft anzuzeigen.

2. Die Rechte des Treugebers aus dem Treuhandvertrag können nur insgesamt verpfändet werden. Die Verpfändung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Treuhänders. Der Treugeber hat die Verpfändung unverzüglich ggü. dem Geschäftsführer der Gesellschaft anzuzeigen.

Die Klägerin schloss mit den Fondsgesellschaften, die ihr zuvor Bonitätsnachweise und eine Selbstauskunft der Beklagten übermittelt hatten, Darlehensverträge über rund 31,3 Mio. DM. Dabei sagte sie zu, die Gesellschafter nur entsprechend ihrer Beteiligungsquote persönlich in Anspruch zu nehmen. Die Fondsgesellschaften gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 21.12.2006 und am 30.1.2007 beschlossen die Gesellschafter ihre Liquidation und stimmten dem Verkauf der Fondsimmobilien zu. Im Zuge der Veräußerung wurden mit der Klägerin Lastenfreistellungsvereinbarungen getroffen, in denen die Darlehen fällig gestellt und Restforderungen i.H.v. rund 13,4 Mio. EUR festgestellt wurden. Außerdem wurde vereinbart, dass der auf die Beklagte entfallende Teil des Verkaufserlöses zunächst nicht zur Tilgung verwendet, sondern als Ersatz für die von der Klägerin freigegebenen Grundschulden verpfändet werden soll. Mit Anwaltsschreiben vom 16.4.2007 forderte die Klägerin die Beklagte letztmalig auf, den auf ihre Beteiligungsquote entfallenden Betrag bis zum 30.4.2007 auszugleichen. Als die Beklagte dem nicht nachkam, ließ sie sich von der Treuhänderin sämtliche diesbezüglichen Freistellungsansprüche abtreten.

Mit der Klage verlangt sie aus eigenem, hilfsweise aus abgetretenem Recht Zahlung des nach Abzug des Verkaufserlöses und der von anderen Gesellschaftern ...

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