Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen einen Lebensversicherungsvertrag nach § 5a VVG a.F.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Abschluss weiterer Lebens- und Rentenversicherungen bei demselben Versicherer und eine eventuell in diesem Verhalten zum Ausdruck kommende allgemeine Zufriedenheit mit dessen Produkten stellt für sich allein keinen gravierenden Umstand dar, der den späteren Widerspruch nach § 5a VVG a.F. eines unrichtig belehrten Versicherungsnehmers als treuwidrig erscheinen ließe (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 06.12.2016 - 12 U 137/16).

2. Zur Berechnung des Bereicherungsanspruchs nach wirksamem Widerspruch:

a) Auf seinen Rückgewähranspruch muss sich der Versicherungsnehmer den objektiven Verkehrswert des genossenen Risikoschutzes anrechnen lassen. Dieser Wert kann anhand der vom Versicherer kalkulierten Prämienanteile geschätzt werden. Auf die letztendlich vom Versicherer für den Risikoschutz verauslagten - geringeren - Risikokosten und auf eine bei wirksamem Vertrag gutgeschriebene Überschussbeteiligung kommt es nicht an.

b) Der Versicherer hat Nutzungen aus dem Verwaltungskostenanteil auch insoweit gezogen und herauszugeben, als er diesen zur Bestreitung von Aufwendungen des Versicherungsbetriebs verwendet hat.

c) Die Höhe der gezogenen Nutzungen aus dem Verwaltungskostenanteil kann anhand der vom Versicherer in der fraglichen Zeit erzielten Nettoverzinsung geschätzt werden. Die Eigenkapitalrendite ist demgegenüber keine geeignete Schätzungsgrundlage.

d) Rückvergütungen seitens der mit der Fondsanlage betrauten Investmentgesellschaften ("kick back") sind vom Versicherer nicht als gezogene Nutzungen herauszugeben.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 812, 818; VVG a.F. § 5a

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 08.05.2018; Aktenzeichen 2 O 198/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg - 2. Zivilkammer - vom 08.05.2018, Az. 2 O 198/17, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.607,06 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2017 zu bezahlen.

b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und gezogenen Nutzungen nach Beendigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung (Vers.-Nr. ...-01).

Den Vertrag hatte ein Herr B. (im Folgenden: der Zedent) 1999 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten im so genannten Policenmodell nach § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.) abgeschlossen. Versicherungsbeginn war der 01.11.1999. Die anfängliche Monatsprämie betrug 300 DM. Das einseitige Begleitschreiben (Anl. K6), mit dem der Versicherungsschein (Anl. K2) dem Zedenten übermittelt wurde, enthielt unmittelbar vor der Unterschriftszeile in Dickdruck folgende Belehrung:

"Nach § 5a Versicherungsvertragsgesetz steht Ihnen ein 14-tägiges Widerspruchsrecht zu. Die Versicherung gilt auf Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieser Unterlagen der Versicherung widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung."

Vor Vertragsschluss hatte der Zedent bei der Beklagten bereits eine fondsgebundene Lebensversicherung abgeschlossen. 2001 und 2005 folgten eine weitere fondsgebundene Lebensversicherung sowie eine fondsgebundene Rentenversicherung.

Für die Zeit von November 1999 bis Januar 2015 entrichtete der Zedent Versicherungsprämien in Gesamthöhe von 47.667,24 EUR. In den Jahren 2006, 2007, 2009, 2010, 2012 und 2013 widersprach er jeweils der dynamischen Beitragserhöhung. Anfang 2015 kündigte er den Vertrag, woraufhin die Beklagte den Rückkaufswert zum 01.02.2015 mit 52.659,62 EUR ermittelte und unter Hinzurechnung eines Beitragsguthabens für den Monat Februar 2015 auszahlte (vgl. Schreiben der Beklagten vom 11.02.2015, Anl. B2). Anfang 2016 trat der Zedent alle ihm in Bezug auf die Versicherung zustehenden Rechte an die Klägerin ab (Abtretungsvereinbarung, Anl. K4). Mit Schreiben vom 20.07.2017 (Anl. K5) erklärte die Klägerin den Widerspruch, den die Beklagte zurückwies.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin unter Bezugnahme auf ein versicherungsmathematisches Gutachten des von ihr beauftragten Sachverständigen S. vom 20.07.2017 (Anl. K1) die Rückzahlung der vom Zedenten entrichteten Versicherungsbeiträge (nach Abzug des erstatteten Beitragsguthabens) zuzüglich der durch die Beklagte gezogenen Nutzungen und abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswerts sowie der angefallenen Risikokosten. Sie hat die Ansicht geäußert, ihr Widerspruch sei wirksam, weil der Zedent nicht ordnungsgemäß...

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