Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlasspfleger. Erbenermittlung. Nachlasssicherung. Herausgabeverlangen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Nachlasspfleger hat neben der Ermittlung der Erben den Nachlass zu sichern und dazu den Nachlass an sich zu nehmen. Dabei kann er von jedem, der Nachlassgegenstände in Besitz hat, deren Herausgabe verlangen, was dem Nachlasspfleger erst dessen Verwaltung ermöglicht. Deshalb verbietet sich eine entsprechende Anwendung des § 1812 BGB auf das Herausgabeverlangen.

 

Normenkette

BGB § 1812 Abs. 1, § 1915 Abs. 1 S. 1, §§ 1960, 362, 1890

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 14.09.2006; Aktenzeichen 8 O 618/05)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 14.9.2006 - 8 O 618/05 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Alleinerbe der am 6.10.1998 verstorbenen A. S. (Erblasserin), für die vor ihrem Tode eine Betreuung für Vermögensangelegenheiten durch die Vereinsbetreuerin Z. bestand, welche beim beklagten Verein angestellt war. Nach dem Tode der Erblasserin wurde mit Beschluss vom 20.10.1998 Nachlasspflegschaft angeordnet, da die Erben unbekannt waren (vgl. das Nachlassverfahren des Notariats K.) und E. als Nachlasspflegerin bestellt (dort AS 29). Der Geschäftsführer des beklagten Vereins überwies nach Abrechnung der Vereinsbetreuerin unter Abzug der Betreuervergütung von 2.015,44 DM das von der Betreuerin verwaltete und angelegte Vermögen i.H.v. 361.568,98 DM auf ein Konto der Nachlasspflegerin, die das Geld in der Folgezeit wie in anderen Fällen auch veruntreute. Das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, da dem Kläger weder ein Anspruch auf Rückzahlung des verwalteten Vermögens aus § 1890 BGB zustehe noch ein Schadensersatzanspruch gegen den Betreuungsverein.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein ursprüngliches Klagebegehren unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags weiter verfolgt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, der ihm als Erbe zustehende Zahlungsanspruch sei durch die Überweisung an die Nachlasspflegerin nicht erloschen, da weder die notwendige vormundschaftsgerichtliche noch die erforderliche nachlassgerichtliche Genehmigung für die Einziehung der Forderung vorgelegen habe. Darüber hinaus habe der Beklagte auch seine Aufsichtspflicht über die Vereinsbetreuerin verletzt. Das auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit beigetretene Land hat sich seinem Antrag angeschlossen. Der beklagte Verein verteidigt dagegen das landgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat zu Recht sowohl einen Anspruch des Klägers gem. § 1890 BGB als auch einen Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Verein abgelehnt.

1. Die Klage gegen den im Vereinsregister gelöschten Verein ist zulässig, wie das LG zu Recht und in der Berufung auch nicht mehr angegriffen feststellt.

2. Dem Kläger steht kein Anspruch gem. §§ 1890, 1908 Abs. 1 S. 1, 1922 BGB i.H.v. 184.867,28 EUR gegen den beklagten Verein zu.

Es kann dahinstehen, ob der Betreuungsverein für diesen Anspruch passiv legitimiert wäre. Denn der Anspruch des Klägers auf Rechnungslegung und Auszahlung des Vermögens der Betreuten gem. § 1890 BGB ist gem. § 362 BGB durch Erfüllung erloschen.

Die Überweisung führte entgegen der Auffassung des Klägers und dessen Streithelfers zur Erfüllung der Forderung aus § 1890 BGB, ohne dass vormundschaftsgerichtliche oder nachlassgerichtliche Genehmigungen erteilt werden mussten. Zwar führt das Fehlen dieser Genehmigungen, wenn sie gem. § 1812 BGB, hier § 1812 Abs. 1 Nr. 3 BGB (für den Nachlasspfleger über §§ 1915, 1960 BGB anwendbar) erforderlich waren, zur Unwirksamkeit der Verfügung, die der Vormund oder der Nachlasspfleger über das Vermögen des Mündels oder den Nachlass trifft. Dementsprechend tritt die Erfüllungswirkung gem. § 362 BGB mangels ordnungsgemäßer Leistung an den Berechtigten nicht ein. Jedoch waren hier weder vormundschaftsgerichtlich noch nachlassgerichtlich Genehmigungen der Überweisung einerseits und der Annahme dieser Überweisung andererseits erforderlich.

a) Für die Erblasserin wurde im Jahre 1993 die Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten angeordnet. Diese Betreuung endete mit dem Tod der Betreuten am 6.10.1998 (vgl. nur Palandt/Diederichsen, 66. Aufl., § 1896 Rz. 25). Damit endete zugleich die Aufsichtspflicht des VormG. Eine Ausnahme besteht nur ...

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