Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzpflicht des Versicherers bei fehlgeschlagener Umwandlung einer Lebensversicherung gemäß § 167 VVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer die Umgestaltung seiner Lebensversicherung "in Pfändungsschutz für Altersrente nach § 851 c ZPO entsprechend", hat der Versicherer ihn über die für eine Umwandlung nach § 167 VVG erforderlichen Erklärungen zu beraten.

2. Misslingt die Erlangung von Pfändungsschutz gemäß § 167 VVG wegen eines Fehlers des Versicherers, kommt ein Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers in Betracht. Der Versicherer hat einen Schaden des Versicherungsnehmers zu ersetzen, wenn die Lebensversicherung bei pflichtgemäßem Verhalten im späteren Insolvenzverfahren gemäß § 36 Abs. 1 InsO geschützt gewesen wäre.

3. Der Versicherungsnehmer kann die Umwandlung der Lebensversicherung gemäß § 167 VVG für den Schluss der zum Zeitpunkt seines Antrags laufenden Versicherungsperiode verlangen. Werden die erforderlichen Willenserklärungen des Versicherers und des Versicherungsnehmers erst nach Ablauf dieser Periode abgegeben, erfolgt die Umwandlung rückwirkend.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1; InsO § 36 Abs. 1; VVG § 168 Abs. 3; ZPO § 6 Abs. 1, 4, §§ 167, 851c

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 14 O 61/14)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 27.04.2016 - 14 O 61/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Die Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 EUR, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte geltend, bei der er eine Lebensversicherung unterhielt, weil die Beklagte einen Umwandlungsantrag gemäß § 167 VVG nicht sachgerecht behandelt habe.

Der am 10.02.1962 geborene Kläger war viele Jahre lang als Textilgroßhändler selbstständig tätig. Im Jahr 1980 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag ab. Die Versicherungsdauer sollte 42 Jahre betragen; die Beklagte versprach eine Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall sowie Beitragsfreiheit und Rente bei Berufsunfähigkeit. Die Parteien vereinbarten eine halbjährliche Beitragszahlung; das erste Versicherungsjahr begann am 01.08.1980. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus dem Versicherungsschein der Beklagten vom 13.10.1980 (Anlage K 2).

Anfang des Jahres 2012 befand sich der Kläger mit seinem Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Rat seines Anwalts sandte er am 27.01.2012 ein Schreiben (Anlage K 3) an die Beklagte mit folgendem Inhalt:

Hiermit bitte ich die LV-Nr. 240072026 umzugestalten in Pfändungsschutz für Altersrente nach § 851 c ZPO entsprechend.

Das Schreiben ging am 31.01.2012 bei der Beklagten ein. Die Beklagte erwiderte unter dem 06.02.2012 wie folgt (Anlage K 4):

Zu Ihrer Versicherung bieten wir ihnen wunschgemäß die Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses zur Nutzung des Freibetrags nach § 12 SGB II ("Hartz IV") an.

Mit dem Verwertungsausschluss werden die Rechte, über Ihre Versicherung zu verfügen, in Höhe des in der Vereinbarung genannten Umfanges bis zu Ihrem vollendeten 60. Lebensjahr ausgeschlossen. Diese Vereinbarung können Sie nicht widerrufen.

Der Verwertungsausschluss wird mit Zugang der unterschriebenen Erklärung bei uns wirksam.

Der Kläger unterschrieb am 08.02.2012 das diesem Schreiben beigefügte Formular "Verwertungsausschluss gemäß § 168 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz", und sandte die unterschriebene Erklärung an die Beklagte.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2012, welcher beim Amtsgerichts Freiburg am 13.02.2012 einging, stellte der Kläger einen Insolvenzantrag über sein Vermögen, verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung. Am 21.02.2012 (vgl. die Anlage K 5) bestätigte die Beklagte dem Kläger für den Lebensversicherungsvertrag den "nachfolgenden Verwertungsausschluss". Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 07.03.2012 eröffnet (AG Freiburg, 8 IN 57/12); zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Andreas Wolff, Freiburg, ernannt.

Der Insolvenzverwalter wandte sich mit einem Schreiben vom 16.07.2012 an die Beklagte. Er wählte für den Lebensversicherungsvertrag, welchen der Kläger mit der Beklagten abgeschlossen hatte, "Nichterfüllung gemäß § 103 InsO" und forderte die Beklagte gleichzeitig auf, den Vertrag abzurechnen und den Rückkaufswert auf das für das Insolvenzverfahren eingerichtete Treuhandkonto einzuzahlen. Die Beklagte rechnete den Rückkaufswert der Lebensversicherung zum 01.08.2012 mit 26.642,59 EUR ab und zahlte diesen Betrag an den Insolvenzverwalter.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Landgericht von der Beklagten ...

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