Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Passivlegitimation bei der unterhaltsrechtlichen Abänderungsklage im Fall des Übergangs der Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfeträger; zur Auswirkung der Fortsetzung von Unterhaltsleistungen nach Beendigung der Kinderbetreuung auf die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich findet eine Abänderung eines Vergleichs nach §§ 313 BGB, 323 ZPO nur zwischen den Parteien des Vergleichs statt. Im Falle der Rechtsnachfolge - wie etwa beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger nach §§ 90, 91 BSHG - ist der Rechtsnachfolger allerdings die richtige passivlegitimierte Partei für eine Abänderungsklage des Schuldners des übergegangenen Anspruchs, soweit sich - wie etwa für die Zeit vor Rechtshängigkeit - die Rechtskraft eines Urteils zwischen den Vergleichsparteien nicht auf den Rechtsnachfolger erstrecken würde.

2. Steht fest oder ist nicht auszuschließen, dass der titulierte Unterhaltsanspruch nur zum Teil auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist, kann die Abänderungsklage - wenn sie Wirkung ggü. Vergleichspartei und Teil-Rechtsnachfolger erzielen soll - gleichzeitig gegen den Sozialhilfeträger und gegen die Vergleichspartei gerichtet werden.

3. Für die Zeit ab Rechtshängigkeit ist die Abänderungsklage zwar im Hinblick auf §§ 265 Abs. 2, 325 ZPO grundsätzlich gegen die unterhaltsberechtigte Vergleichspartei zu richten. Hat aber der Unterhaltsverpflichtete die Abänderungsklage für die Zeit ab Rechtshängigkeit tatsächlich einzig gegen den Sozialhilfeträger als Rechtsnachfolger erhoben, kann er - aus den Gründen des Leitsatzes Ziff. 1 - nicht mehr darauf verwiesen werden, dass er nunmehr seine Rechte (umfassender) mit einer Klage gegen die Vergleichspartei verfolgen kann.

4. Es ist gem. § 259 ZPO zulässig, dass der Unterhaltsschuldner auch seine im Verhältnis zum Rechtsnachfolger erst künftigen - also gem. §§ 412, 404 BGB erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung übergehenden - Ansprüche aus § 313, 412, 404 BGB mit einer Abänderungsklage (§ 323 ZPO) ggü. dem Sozialhilfeträger als (künftigen) Rechtsnachfolger schon verfolgt, soweit davon ausgegangen werden kann, dass nach Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt noch Ansprüche übergehen werden.

5. Wenn und solange der Unterhaltsverpflichtete seiner geschiedenen Ehefrau auch nach Beendigung der Kinderbetreuung den Unterhalt weiter gezahlt hat und auch nicht in sonstiger Weise eine Erwerbsobliegenheit seiner geschiedenen Ehefrau geltend gemacht hat, bestand aus Gründen des Vertrauensschutzes auch keine Erwerbsobliegenheit der geschiedenen Ehefrau.

 

Normenkette

ZPO § 323; BGB §§ 1569-1570

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Urteil vom 17.03.2004; Aktenzeichen 6 F 18/85)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - FamG - Karlsruhe v. 17.3.2004 im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

1. Der Vergleich des AG Karlsruhe v. 19.6.1990 - 6 F 18/85, wird im Verhältnis zur beklagten Stadt dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die beklagte Stadt Unterhalt für seine geschiedene Ehefrau E.Ei., geb. K. i.H.v. bis zu

515 Euro monatlich v. 1.4.2000 bis 31.12.2000,

481 Euro monatlich v. 1.1.2001 bis 31.12.2001,

301 Euro monatlich v. 1.1.2002 bis 31.12.2002,

278 Euro monatlich v. 1.1.2003 bis 31.7.2004 und

337 Euro monatlich ab 1.8.2004

zu zahlen hat, soweit der Unterhaltsanspruch auf die Stadt übergegangen ist bzw. übergeht.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 59 %, die Beklagte zu 41 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 85 %, die Beklagte 15 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Mit der vorliegenden Abänderungsklage macht der Kläger für die Zeit ab 1.4.2000 den Wegfall seiner im Jahre 1990 vergleichsweise übernommenen Unterhaltsverpflichtung i.H.v. 1200 DM monatlich für seine geschiedene Ehefrau ggü. der dieser Sozialhilfe gewährenden Stadt K. geltend.

Der am ... geborene Kläger ist Arzt im Angestelltenverhältnis.

Seine am ... geborene geschiedene Ehefrau hat in R. ein Kunststudium absolviert und kurze Zeit als Realschullehrerin gearbeitet. Seit 1975 lebt sie in Deutschland. Am ... und ... sind die gemeinsamen Kinder geboren. In Deutschland war die Ehefrau nicht berufstätig. Das Scheidungsverfahren wurde im Oktober 1985 rechtshängig. Die Ehescheidung erfolgte am ...1990. Bis einschließlich März 2000 hat der Kläger den vereinbarten Unterhalt gezahlt.

Die Ehefrau lebte jahrelang in einem Haushalt mit ihrer 84-jährigen Mutter, die sie versorgte. Die Mutter bezog eine Rente i.H.v. monatlich rund 900 Euro sowie Pflegegeld der Pflegestufe zwei. Am 26.7.2004 ist sie gestorben.

Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und die Unterhaltsverpflichtung des Klägers reduziert, ab 1.1.2003 auf monatlich 337 Euro.

Bei der Ermittlung des Einkommens des Klägers hat das AG Fortbildungskosten nicht anerkannt, weil ...

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