Leitsatz (amtlich)

1. Besteht die Amtspflichtverletzung des Notars darin, dass er entgegen § 24 BeurkG keine Verständigungsperson beigezogen hat und das Testament deshalb formunwirksam ist, muss der nach dem Testament Begünstigte für einen Schadensersatzanspruch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität gemäß § 287 ZPO nachweisen, dass er ohne die Pflichtverletzung Erbe geworden wäre. Dies beinhaltet den Nachweis, dass eine Verständigungsperson zur Verfügung gestanden hätte, dass ein pflichtgemäß handelnder Notar mit dieser ein Testament errichtet hätte, in dem der Begünstigte als Erbe eingesetzt worden wäre und dass die sonst in Frage kommenden Erben dieses Testament nicht erfolgreich angegriffen hätten. Soweit es dabei um die Testierunfähigkeit geht, muss der Notar oder sein Dienstherr eine solche nachweisen.

2. Auch bei einem Testament mit einem einfachen Inhalt - wie z.B. die Einsetzung eines Alleinerben - muss der Erblasser in der Lage sein, den Inhalt des Testaments von sich aus zu bestimmen und seinen Willen auszudrücken. Der Erblasser muss nach eigenem Urteil und frei von Einflüssen interessierter Dritter handeln können. Zur Testierfähigkeit reicht eine nur allgemeine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt nicht aus. Der Erblasser muss eine konkrete Vorstellung seines letzten Willens haben und in der Lage sein, sich über die Tragweite seiner Anordnung und ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ein klares Urteil zu bilden. Der Erblasser muss sich an Sachverhalte erinnern können, er muss Informationen aufnehmen, Zusammenhänge erfassen und Abwägungen vornehmen können.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 1 O 313/15)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 28.04.2017, Az. 1 O 313/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten.

3. Die Urteile beider Instanzen sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land oder der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 100.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz aufgrund einer behaupteten Amtspflichtverletzung eines Notars im Zusammenhang mit der Errichtung eines notariellen Testaments.

Die Erblasserin A hatte am 22.08.1995 ein handschriftliches Testament errichtet, in dem sie ihre drei Schwestern als Erben einsetzte. Nachdem sie, so der Kläger, einen vom Kläger für sie vereinbarten Notartermin beim damals noch beim beklagten Land beschäftigten Notar und Streithelfer B nicht wahrnehmen konnte, erlitt sie am 21.07.2008 einen Schlaganfall. Sie wurde zunächst in das L-Krankenhaus in Freiburg und von dort weiter in die Stroke-Unit der Universitätsklinik Freiburg gebracht. Auf Bitten des Klägers erschien dort am 23.07.2008 der Notar B in Begleitung des damals von ihm beigezogenen, ebenfalls beim beklagten Land beschäftigten Notars C. Der Notar B beurkundete ein notarielles Testament der Erblasserin (ebenfalls in der Anlage des Bandes I der oben genannten Nachlassakten), nach dem der mit der Erblasserin nicht verwandte Kläger Alleinerbe werden sollte. Die Erblasserin konnte allerdings aufgrund ihrer Erkrankungen zum Zeitpunkt der Beurkundung weder sprechen noch schreiben, was vom Notar B in der Niederschrift nach § 24 Abs. 1 S. 1 BeurkG vermerkt wurde. Eine für diesen Fall nach § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG erforderliche Verständigungsperson wurde nicht beigezogen. Am 27.07.2008 verstarb die Erblasserin.

Am 27.08.2009 wurde den Schwestern der Erblasserin durch das Nachlassgericht ein Vorbescheid erteilt, der ihre Erbenstellung auswies. Die hiergegen vom Kläger erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 09.02.2011 bestandskräftig zurückgewiesen. Die Klage des Klägers gegen die Schwestern der Erblasserin auf Herausgabe des Nachlasses wurde mit Urteil des Landgerichts Freiburg vom 31.07.2014, Az. 2 O 442/12, abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung wurde mit mittlerweile rechtskräftigem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 09.02.2015, Az. 4 U 148/14, zurückgewiesen. Alle Entscheidungen gingen von der Unwirksamkeit des Testaments vom 23.07.2008 wegen eines Verstoßes gegen § 125 S. 1 BGB i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG aus.

Der Kläger war erstinstanzlich der Auffassung, er wäre bei pflichtgemäßem Handeln der Notare Alleinerbe geworden. Ihm stehe daher ein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land zu. Am 23.07.2008 sei die Erblasserin noch testierfähig gewesen und habe sich durch Kopfschütteln und Kopfnicken in ausreichender Weise verständigen können. Dies genüge, da es sich um ein e...

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