Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz aus ärztlicher Behandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein der Umstand, dass ein Patient, der sich bereits bei einem anderen Arzt in Behandlung befindet, sich zur Einholung einer zweiten Meinung in der Ambulanz eines Krankenhauses vorstellt, führt nicht dazu, dass der im Krankenhaus tätige Arzt nicht alle nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten ergreifen muß.

2. Auch wenn die Fehleinschätzung eines erhobenen klinischen Befundes möglicherweise nicht als grob fehlerhaft anzusehen ist, es nicht ausgeschlossen, die davon zu unterscheidende Nichterhebung weiterer Befunde als grob fehlerhaft anzusehen, zumal dies ein besonderes Verschulden des behandelnden Arztes nicht voraussetzt.

3. Beweiserleichterungen wegen des grob fehlerhaften Unterlassens einer Befunderhebung kommen nicht in Betracht, wenn die Erschwernisse bei der Aufklärung des Ursachenzusammenhangs durch von dem Patienten selbst geschaffene Unklarheiten wesentlich mitverursacht wurden, weil es dann an der die Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten rechtfertigenden Voraussetzung, dass der ärztliche Fehler die Aufklärung des Ursachenzusammenhangs besonders erschwert hat, fehlt.

4. Ein niedergelassener Arzt, der einen Patienten zur weiteren Diagnostik in ein Krankenhaus überwiesen hat, kann die Erkenntnisse der Klinik der Weiterbehandlung nicht ohne weiteres zugrunde legen, wenn er aufgrund seiner Ausbildung, Erfahrung und Kenntnisse Zweifel an deren Richtigkeit haben muß.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 847; pVV

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.05.2002; Aktenzeichen VI ZR 42/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 1 werden die Urteile des Landgerichts Karlsruhe vom 21.10.1996 – 10 0 235/96 – und vom 24.04.1998 – 6 0 368/96 – im Kostenausspruch aufgehoben und im übrigen wie folgt geändert:

  1. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 84.308,53 DM nebst 4 % Zinsen seit 30.10.1996 zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger den weiteren materiellen und immateriellen Folgeschaden zu ersetzen, der ihm deshalb entstanden ist, weil die Infektion des rechten oberen Sprunggelenks im November 1993 nicht behoben worden ist, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
  3. Im übrigen und hinsichtlich der Beklagten zu 2 insgesamt werden die Klagen abgewiesen.

II. Von der Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger diejenigen des Verfahrens 6 O 368/96, der Beklagte zu 1 diejenigen des Verfahrens 10 O 235/96.

Von den Gerichtskosten des Berufungsrechtszuges tragen der Kläger und der Beklagte zu 1 je die Hälfte.

Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsrechtszuges tragen:

  • von denjenigen des Klägers dieser selbst und der Beklagte zu 1 je die Hälfte;
  • der Beklagte zu 1 seine eigenen;
  • die Klägerin diejenigen der Beklagten zu 2.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 98.000,00 DM, die Klägerin diejenige der Beklagten zu 2 gegen Sicherheitsleistung von 18.000,00 DM abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können jeweils auch durch schriftliche, selbstschuldnerische und unbefristete Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

 

Tatbestand

Der Kläger hat den Erstbeklagten, einen niedergelassenen Facharzt für Orthopädie, und die Zweitbeklagte, die seinerzeit als Assistenzärztin in der Chirurgischen Ambulanz des Städtischen Krankenhauses P. tätig war, in je einem Rechtsstreit vor dem Landgericht (Beklagter zu 1: 10 0 235/96; Beklagte zu 2: 6 0 368/96) auf Schadensersatz wegen ärztlicher Fehler in Anspruch genommen. Der Senat hat die beiden Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Dem Streit der Parteien liegt zugrunde: Der Kläger wurde wegen mehreren Frakturen des rechten Sprunggelenks am 14.07.1993 im Städtischen Krankenhaus P. operativ mit Osteosynthese (Platten und Schrauben) versorgt. Ab 01.09.1993 stand er in der Behandlung des Beklagten zu 1. Die Operationswunde war zu diesem Zeitpunkt noch schmerzhaft und geschwollen; der postoperative Verlauf war durch leichte Wundheilungsstörungen gekennzeichnet gewesen.

Der Beklagte zu 1 fertigte am 02.11.1993 ein Röntgenbild. Im Krankenblatt ist unter diesem Datum vermerkt:

„ÜW → Chir. Amb.-EW

Schwellung Schmerzhaftigkeit Innenknöchel.Funkt. Beschwerden.

Röntgen

OSG in 2 Eb auflockerung am Innenknöchel ditaler Außenknöchel ebenfalls ausgelockert.

dg s.oTh Empfehlung Metallentfernung., ÜW durchgeführt”

In den Krankenunterlagen befindet sich auch die Durchschrift einer Verordnung von Krankenhauspflege des Beklagten zu 1 vom 02.11.1993 mit der Diagnose: Z.n. bimalleolärer Sprunggelenksfraktur re. Weichteilinfekt Metallentfernung reUSG.

Der Kläger suchte am 0...

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