Leitsatz (amtlich)

Der Insolvenzverwalter ist nicht berechtigt, den Quotenschaden der so genannten Neugläubiger nach § 92 InsO geltend zu machen (im Anschluss an BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 = MDR 1998, 787).

 

Normenkette

InsO § 92

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 8 O 205/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Freiburg vom 12.7.2001 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma R. GmbH 160.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, höchstens jedoch 7,68 % Zinsen hieraus seit dem 20.4.2001 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Dem Beklagten wird die Verfolgung seiner Rechte gegen den Insolvenzverwalter nach Erstattung vorbehalten.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der ersten Instanz, der Kläger diejenigen der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wurde durch Beschluss des AG Freiburg vom 21.2.2001 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der R. GmbH bestellt. Am selben Tage wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Der Beklagte war ihr einziger Geschäftsführer und zugleich deren Alleingesellschafter.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Klage darauf gestützt, dass der Beklagte als Geschäftsführer seine Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrages nach § 64 GmbHG verletzt habe. Die Gesellschaft sei nämlich bereits im Februar 1999 überschuldet gewesen. Damals sei er auch auf seine Verpflichtung zur Stellung eines Antrags auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens hingewiesen worden. Insolvenzgläubiger seien ausschließlich solche, deren Forderungen nach Eintritt der Überschuldung der Gemeinschuldnerin entstanden seien. Mit der Klage werde somit nicht die Regulierung eines Quotenschadens von Altgläubigern geltend gemacht, vielmehr sei Gegenstand der Klage der Insolvenzverschleppungsschaden der Neugläubiger. Der Kläger sei nach § 92 InsO befugt, diesen Schaden geltend zu machen.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der geltend gemachte Schaden ein Individualanspruch sei, der nicht vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden könne.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er in erster Linie die Rechtsauffassung des LG bekämpft.

Hilfsweise stützt der Kläger die Klage nunmehr darauf, dass der Beklagte als Geschäftsführer der GmbH trotz Überschuldung der Gesellschaft Zahlungen i.H.v. insgesamt 160.119,43 DM in den Monaten Juni und Juli 2000 erbracht habe, die er der Masse nach § 64 Abs. 2 GmbHG ersetzen müsse.

Des Weiteren stützt der Kläger die eingeklagte Forderung darauf, dass der Beklagte die Gesellschaft i.H.v. mehr als 1.000.000 DM durch Vereinbarung nicht kostendeckender Preise geschädigt habe (§§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB).

In dritter Linie macht er hilfsweise einen Rückzahlungsanspruch nach §§ 43 Abs. 3, 30 GmbHG geltend, weil der Beklagte trotz Überschuldung der Gesellschaft in der Zeit von April 1999 bis Juli 2000 Zahlungen i.H.v. 70.867,76 DM an sich selbst geleistet habe. In Höhe dieses Betrages erklärt er außerdem die Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO.

Schließlich fordert der Kläger hilfsweise die Stammeinlage i.H.v. 50.000 DM ein, weil der Beklagte diese bislang nicht zur freien Verfügung der Gesellschaft geleistet habe.

Der Kläger stellt den Antrag:

Unter Aufhebung des am 12.7.2001 verkündeten Urteils des LG Freiburg – 8 O 205/01 wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma R. GmbH 160.000 DM nebst 7,68 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte wendet ein, der Kläger stütze die Klageforderung nunmehr hilfsweise auf neue Ansprüche. In diese Klageänderung willige er nicht ein. Sie sei auch nicht sachdienlich. Im Übrigen verteidigt er die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche vertritt er die Auffassung, deren tatbestandlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung des Klägers hat mit dem Hilfsantrag Erfolg, weil der Beklagte gegen die sich aus § 64 Abs. 2 GmbHG ergebenden Verpflichtungen verstoßen und sich damit gegenüber der Gemeinschuldnerin schadensersatzpflichtig gemacht hat (§ 823 Abs. 2 BGB).

1. § 92 der hier anwendbaren (vgl. Art. 110 Abs. 1 EGInsO) Insolvenzordnung bestimmt, dass Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur...

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