Leitsatz (amtlich)

1. Wettsegelbestimmungn (wie die Wettfahrtregeln der ISAF oder die Ordnungsvorschriften des DSV) besitzen nicht die erforderliche Rechtsqualität eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.

2. Die in der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze zur Inkaufnahme von Schädigungen bei regelgerechten Kampfspielen sind auf Rennveranstaltungen - insb. auch Segelregatten - übertragbar.

 

Verfahrensgang

AG Konstanz (Urteil vom 16.10.2003; Aktenzeichen 11 C 174/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - Schifffahrtsgericht - Konstanz vom 16.10.2003 - 11 C 174/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einer Bootskollision geltend, die sich bei einer Pokalregatta auf dem Bodensee ereignete. Beim Runden einer Boje kurz vor dem Zieleinlauf gerieten die Segelschiffe der Parteien gegeneinander. Beide Parteien wurden vom Schiedsgericht disqualifiziert.

Die auf Zahlung von 2.461,35 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Schifffahrtsgericht durch Urteil vom 16.10.2003, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Es treffe zwar zu, dass das Boot des Beklagten ggü. dem Boot des Klägers Wegerecht gehabt habe. Der Beklagte habe jedoch versäumt, im Rahmen eines Manövers des letzten Augenblickes durch ein leichtes Abfallen im Heck den Unfall zu vermeiden. Der Beklagte habe den ausreichenden Manövrierraum um die Boje "regattatechnisch" nicht korrekt ausgenutzt. Ein Abfallen um nur 10 Grad hätte die Kollision verhindert.

Der Kläger beantragt, auf seine Berufung unter Abänderung des Urteils des Schifffahrtsgerichts Konstanz vom 16.10.2003 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.461,35 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.3.2003 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, macht sich die Gründe des Urteils des Schifffahrtsgerichts zu eigen und trägt ergänzend vor:

Es werde bestritten, dass ein Abfallen um nur 10 Grad die Kollision verhindert haben würde. Entscheidend sei allein, dass der Kläger trotz klarer Vorfahrtsituation dem Beklagten das Wegerecht nicht gewährt und ihn dadurch behindert habe.

Ein Manöver des letzten Augenblicks sei zu dem Zeitpunkt, zu dem erkennbar gewesen sei, dass der Kläger nicht den dem Beklagten zustehenden Raum an der Tonne geben werde, bei den gefahrenen Tempi und Kursen zum Wind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wurde auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. I. Die Berufung zum Schifffahrtsobergericht ist zulässig.

Auch wenn das Rubrum des angefochtenen Urteils entgegen § 5 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen jeden Hinweis darauf vermissen lässt, dass das AG als Schifffahrtsgericht verhandelt und entschieden hat, besteht hieran - auch unter den Parteien, wie sich aus deren Ausführungen im Berufungsverfahren ergibt - kein durchgreifender Zweifel.

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

a) Soweit die Klage ausdrücklich auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den Wettsegelbestimmungen gestützt wird, kann sie schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese nicht die erforderliche Qualität eines Schutzgesetzes haben. Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen soll nicht ausufern (vgl. BGH NZV 2004, 136 m.w.N.). Zwar fallen nicht nur Gesetze im formellen Sinn, sondern z.B. auch kommunale Satzungen oder z.B. § 1. 04 BinSchiffStrO unter den Begriff des Gesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 4, Tz. 7 m.w.N.). Wettsegelbestimmungn (wie die Wettfahrtregeln der ISAF oder die Ordnungsvorschriften des DSV) weisen jedoch (ebenso wie beispielsweise Satzungen privater Vereine oder Verbände, privatrechtliche Vertragsregelungen, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Regeln der VOB, Unfallverhütungsvorschriften oder DIN-Bestimmungen) nicht die erforderliche Rechtsqualität eines Schutzgesetzes auf.

I. Aber auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.

aa) Er scheitert bereits an einem Haftungsausschluss der Wettkampfteilnehmer. In der Rechtsprechung der OLG wird ein Haftungsausschluss bei sportlicher Betätigung für den Fall, dass kein oder kein gewichtiger Regelverstoß bzw. kein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers feststellbar ist, vielfach auch außerhalb des Bereichs sportlicher ...

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