Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch des Nacherben über den Bestand des Nachlasses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling vom Erblasser als Nacherbe eingesetzt, steht ihm ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses gegen den Erben, bzw. gegen den Vorerben, erst dann zu, wenn er die Nacherbschaft ausgeschlagen hat. Die bloße Absicht, die Nacherbschaft auszuschlagen, rechtfertigt einen Auskunftsanspruch nicht.

2. Beruht der Erfolg einer Klage auf Auskunft gem. § 2314 BGB in der zweiten Instanz darauf, dass der Kläger erst nach Klageabweisung in der ersten Instanz die Nacherbschaft ausgeschlagen hat, treffen ihn gem. § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Normenkette

BGB § 2303 Abs. 1, § 2314 Abs. 1, § 2325; ZPO § 97 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 06.09.2013; Aktenzeichen 5 O 304/12 M)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Konstanz vom 6.9.2013 - 5 O 304/12 M - aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 12.11.2009 verstorbenen K. R.-S. zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses, bezogen auf den Stichtag 12.11.2009, das folgende Positionen umfasst:

  • alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva),
  • alle beim Erbfall vorhandenen Verbindlichkeiten (Passiva),
  • alle Schenkungen, die die Erblasserin zu ihren Lebzeiten in den letzten zehn Jahren vor ihrem Tod getätigt hat.

Die weiter gehende Auskunftsklage des Klägers wird abgewiesen. Insoweit wird auch die weiter gehende Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Wegen der Entscheidung über die weiteren Anträge der Stufenklage (eidesstattliche Versicherung und Zahlung) wird das Verfahren auf Antrag des Klägers an das LG Konstanz zurückverwiesen.

IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist der einzige Sohn der am 12.11.2009 verstorbenen Erblasserin K. R.-S.. Der Beklagte war der Ehemann der Verstorbenen. Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche des Klägers.

Am 12.6.2008 errichtete die Erblasserin ein privatschriftliches Testament, in welchem sie den Kläger zum Alleinerben einsetzte. Auf der Grundlage dieses Testaments erteilte das Nachlassgericht am 15.1.2010 einen entsprechenden Erbschein. Zu einem späteren Zeitpunkt legte der Beklagte ein gemeinschaftliches Testament vom 29.5.1996 vor, in welchem sich die Eheleute wechselseitig jeweils zum befreiten Vorerben eingesetzt hatten, mit der Maßgabe, dass der Kläger und ein Sohn des Beklagten Nacherben sein sollten. Dieses frühere gemeinschaftliche Testament war bei Auffindung nach dem Tod der Erblasserin zerrissen.

Zwischen den Beteiligten entstand Streit über die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments. Im Erbscheinsverfahren stellte das zuständige Nachlassgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Beschluss vom 9.9.2011 fest, das gemeinschaftliche Testament vom 29.5.1996 sei wirksam, da sich nicht feststellen lasse, dass das nachträgliche Zerreißen in gemeinsamer Widerrufsabsicht beider Eheleute erfolgt sei. Mithin sei der ursprüngliche Erbschein vom 15.1.2010 unrichtig. Der Beklagte sei befreiter Vorerbe und der Kläger Nacherbe zu ½ beim Tod des Beklagten. Die Beschwerde des Klägers gegen diese Entscheidung wurde mit Beschluss des OLG Karlsruhe - 14. Zivilsenat - vom 20.8.2012 zurückgewiesen. Im vorliegenden Rechtstreit gehen die Parteien nunmehr übereinstimmend davon aus, dass das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 29.5.1996 wirksam ist, und nicht zu einem späteren Zeitpunkt von den Eheleuten einvernehmlich widerrufen wurde.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem LG Pflichtteilsansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht. Er hat eine Stufenklage erhoben, mit welcher er zunächst Auskunft über den Nachlass, und sodann in den weiteren Stufen Versicherung der Richtigkeit der Auskunft an Eides Statt sowie (zunächst unbeziffert) Zahlung des Pflichtteils verlangt hat. Da er - entgegen seiner ursprünglichen Vorstellung - nicht Alleinerbe nach dem Tod der Mutter geworden sei, könne er Pflichtteilsansprüche gegen den Beklagten geltend machen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger sei nicht pflichtteilsberechtigt, solange er die Nacherbschaft nicht wirksam ausgeschlagen habe. Im Übrigen habe der Beklagte ohne Rechtspflicht bereits schriftsätzlich Auskünfte erteilt, so dass ein weiter gehendes Auskunftsinteresse nicht bestehe. Der Beklagte hat sich zudem auf Verjährung berufen.

Im Juli 2013 hat der Beklagte einen Betrag i.H.v. 50.041,39 EUR an den Kläger gezahlt, der auf eventuelle Pflichtteilsansprüche angerechnet werden solle.

Mit Urteil vom 6.9.2013 hat das LG die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Der Kläger sei nicht pflichtteilsberechtigt, weil er die zu seinen Gunsten angeordnete Nacherbschaft nicht wirksam ausgeschlagen habe. Da ein Zahlungsanspruch aus Rechtsgründen nicht bestehe, komm...

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