Entscheidungsstichwort (Thema)

Grobe Fahrlässigkeit bei Abstellen eines Pkw

 

Leitsatz (amtlich)

Grobe Fahrlässigkeit bei Abstellen eines Pkw bei 10 %-igem Gefälle ohne Einlegen des Rückwärts- oder 1. Ganges.

 

Normenkette

VVG § 61; StVO § 14 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 02.08.2006; Aktenzeichen 3 O 443/05)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Konstanz vom 2.8.2006 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Darstellung eines Tatbestandes ist entbehrlich (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das landgerichtliche Urteil bejaht rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses gem. § 61 VVG und auch die in der Berufungsinstanz zu Grunde zu legenden tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung (§ 513 ZPO).

1. Auf der Grundlage der Anhörung des Sachverständigen L. und der unwidersprochenen Verwertung des DEKRA-Gutachtens zum Gefälle des ...-wegs stellt das erstinstanzliche Urteil zutreffend ein objektiv grob fahrlässiges Verhalten des Klägers fest.

Grob fahrlässig ist ein Handeln, bei dem nach den gesamten Umständen die erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt ist und dasjenige unbeachtet bleibt, was jedem in der gegebenen Situation hätte einleuchten müssen, wobei grundsätzlich auch unbewusste Fahrlässigkeit den Vorwurf groben Fehlverhaltens rechtfertigen kann (BGH VersR 1989, 582; BGH VersR 2003, 364).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Straße im fraglichen Bereich, in dem der Kläger sein Auto abgestellt hatte, ein Gefälle von ungefähr 10 % aufwies; davon geht - von den Parteien unwidersprochen - auch der Sachverständige L. aus. Unter diesen Umständen war der Kläger gehalten, sein Fahrzeug gegen Wegrollen zu sichern (§ 14 Abs. 2 S. 1 StVO), wobei nach Auskunft des Sachverständigen, die auch der Kläger nicht in Frage stellt, dazu nicht allein das Anziehen der Handbremse genügte, sondern vorrangig erforderlich war, den ersten Gang einzulegen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger diesen Sorgfaltsanforderungen nicht genügt, da der Sachverständige sowohl ausgeschlossen hat, dass der eingelegte Gang durch Schaukelbewegungen am Fahrzeug herausgesprungen, als auch, dass das Fahrzeug trotz eingelegten Ganges weggerollt sein könnte. Auch sei nicht denkbar, dass der erste Gang zur Sicherung des Fahrzeugs nicht ausreichend gewesen sein könnte. Dafür, dass Getriebeverschleiß für die zureichende Sicherung verantwortlich gewesen sein könnte, fehlen Anhaltspunkte; entsprechend greift die Berufung diesen Gesichtspunkt auch nicht auf.

Soweit der Kläger mit seiner Berufung rügt, das LG habe nicht ausreichend aufgeklärt, ob möglicherweise versehentlich der dritte Gang eingelegt gewesen sei, rechtfertigt dies eine abweichende Entscheidung nicht.

Die im Wege des Anscheinsbeweises getroffene Feststellung des LG, der Kläger habe den ersten Gang nicht eingelegt gehabt, wird dadurch nicht erschüttert; Anhaltspunkte dafür, dass aus Versehen der dritte Gang eingelegt war, fehlen.

Im Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob der Kläger versehentlich den dritten Gang eingelegt gehabt hatte, da auch dann ein grober Sorgfaltsverstoß zu bejahen wäre. Die Gefahrensituation einer stark abschüssigen Straße erforderte nämlich besondere Aufmerksamkeit, so dass der Kläger gehalten gewesen wäre, sich mit Sorgfalt zu vergewissern, tatsächlich den richtigen Gang eingelegt zu haben. Dies zumal der Sachverständige für ein Gefälle von 10 % den ersten Gang nur gerade noch für ausreichend erachtet hat und es für empfehlenswerter hielt, das Fahrzeug sogar mit Hilfe des Rückwärtsganges zu sichern.

Die tatsächlichen Feststellungen des LG sind deshalb nicht zu beanstanden und tragen die rechtliche Wertung, der Kläger habe sich, da er sein Fahrzeug nicht ausreichend gegen Wegrollen gesichert hatte, objektiv grob fahrlässig verhalten (vgl. OLG Düsseldorf NVersZ 2002, 364).

2. Ebenfalls zutreffend bejaht die erstinstanzliche Entscheidung auch einen subjektivgroben Sorgfaltsverstoß.

Zwar kann aus objektiv grob fahrlässigem Fehlverhalten nicht regelhaft auch auf eine subjektive Unentschuldbarkeit geschlossen werden, jedoch erlaubt das Ausmaß des objektiven Verstoßes jedenfalls grundsätzlich Rückschlüsse auf innere Vorgänge (BGH VersR 2003, 364; BGHZ 119, 147). Vorliegend ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger der Sicherung seines Fahrzeuges nicht die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt und sich nicht vergewissert hatte, auch den ersten Gang eingelegt zu haben, obwohl ihm infolge des starken Gefälles eine nicht unerhebliche Gefahr bewusst gewesen sein musste. Je größer die Gefährlichkeit der gegebenen Situation ist, desto höhere Anforderungen sind an das Verhalten des Versicherungsnehmers zu stellen. Deshalb entlastet es den Kläger nicht, dass er das Einlegen des Ganges möglicherweise "au...

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