Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortiges Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers nach einem Verkehrsunfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Reagiert der Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall auf mehrere Anwaltsschreiben des Unfallgegners nicht, gibt er regelmäßig Veranlassung zur Erhebung einer Klage. Ein sofortiges Anerkenntnis kommt in diesem Fall im Prozess nicht mehr in Betracht.

2. Auf die Frage, welche Prüfungsfrist dem Haftpflichtversicherer zuzubilligen war, kommt es in diesem Fall nicht an. Denn der Geschädigte kann bei einer fehlenden Reaktion auf mehrere Anwaltsschreiben nicht mehr darauf vertrauen, dass der Haftpflichtversicherer zu einer zügigen Schadensregulierung in der Lage und bereit ist.

 

Normenkette

ZPO § 91a Abs. 1, § 93

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 3 O 113/19)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 03.07.2019 - E 3 O 113/19 - aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht trägt die Beklagte.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Kosten des Zivilprozesses vor dem Landgerichts Konstanz nach übereinstimmender Erledigung.

Am 15.01.2019 kam es im Schwarzwald zu einem Verkehrsunfall. Der Kläger war als Fahrer und Halter eines Pkw Golf beteiligt. Die Beklagte ist die für das Fahrzeug des Unfallgegners zuständige Haftpflichtversicherung. Ursächlich für den Unfall war - allein - eine Vorfahrtsverletzung des anderen Fahrzeugs. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs nahm sich unmittelbar nach der Kollision noch an der Unfallstelle mit einer Schusswaffe das Leben.

Mit Schreiben vom 17.01.2019 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagte. Er wies darauf hin, die Schuldfrage bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall sei aufgrund der Vorfahrtsverletzung des Unfallgegners eindeutig. Der Kläger sei verletzt worden, das Fahrzeug des Klägers sei erheblich beschädigt worden. Er forderte die Beklagte unter Fristsetzung zum 27.01.2019 auf, eine "übliche Abschlagszahlung" in Höhe von 5.000,00 EUR zu zahlen. Mit weiterem Schreiben vom 23.01.2019 bezifferte der Klägervertreter verschiedene Schadenspositionen unter Beifügung eines Schadensgutachtens. Er forderte die Beklagte gleichzeitig auf, bis zum 03.02.2019 die von ihm errechnete Summe in Höhe von 12.674,25 EUR zu überweisen. In einem dritten außergerichtlichen Schreiben vom 14.02.2019 ergänzte der Klägervertreter die Schadensabrechnung, und forderte nunmehr zur Zahlung eines Gesamtbetrages in Höhe von 15.588,32 EUR bis zum 25.02.2019 auf. Innerhalb der verschiedenen Fristen erfolgte von Seiten der Beklagten keine Reaktion.

Mit Schriftsatz vom 27.02.2019, eingegangen beim Landgericht Konstanz am 28.02.2019, hat der Prozessbevollmächtigte für den Kläger Klage erhoben über den bereits vorher angegebenen Gesamtbetrag in Höhe von 15.588,32 EUR, zuzüglich Zinsen und zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten. Am 27.02.2019, also am Datum der Klageschrift, ging beim Klägervertreter eine E-Mail der Beklagten ein, mit welcher diese dem Klägervertreter anheimstellte, für die Ansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 15.01.2019 "die Aktivlegitimation zu klären", da unklar sei, inwieweit die Leasinggeberin - und nicht der Kläger - berechtigt sei, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Im Verfahren vor dem Landgericht Konstanz hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 12.03.2019 eine schriftliche Bestätigung der Leasinggeberin vorgelegt, mit welcher der Kläger zur Geltendmachung sämtlicher Ansprüche aus dem Unfall vom 15.01.2019 ermächtigt wurde.

Mit Schriftsatz vom 05.04.2019 hat die Beklagte erklärt, sie werde die Klageforderung in voller Höhe zum Ausgleich bringen. Die Zahlung ist sodann zu einem von den Parteien nicht vorgetragenen Zeitpunkt nach diesem Schreiben erfolgt. Mit Schriftsätzen vom 06.05.2019 und vom 14.05.2019 haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und gegenläufige Kostenanträge gestellt.

Mit Beschluss vom 03.07.2019 hat das Landgericht die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO dem Kläger auferlegt. Die Entscheidung entspreche billigem Ermessen. Maßgeblich sei der Rechtsgedanke in § 93 ZPO (sofortiges Anerkenntnis). Die Beklagte habe keinen Anlass zu einer Klageerhebung bereits am 27.02.2019 gegeben. Die Fristsetzungen des Klägervertreters in den vorgerichtlichen Schreiben seien unangemessen kurz gewesen. Die Beklagte habe eine ausreichende Zeit benötigt, um die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche zu klären. Erst mit der Klärung der Aktivlegitimation im Schriftsatz vom 12.03.2019 sei die Klage in vollem Umfang schlüssig geworden. Im Hinblick auf die dann zeitnah erfolgte Zahlung könne sich die Beklagte wegen der Kosten auf § 93 ZPO berufen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Die Beklagte habe sich bei Klageerhebung mit der Regulierung des unstreitigen Schadens in Verzug be...

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