Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Entscheidung vom 19.03.2004; Aktenzeichen 3 OWi 46 Js 4574/03)

 

Tenor

  • 1.

    Die Anträge der Staatsanwaltschaft und des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19. März 2004 zuzulassen, werden als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Zulassungsantrages der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen.

 

Gründe

I.

Am 21.01.2002 erließ das staatliche Gewerbeaufsichtsamt K. gegen den Betroffenen - einem vormals selbstständigen Transportunternehmer -wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz einen Bußgeldbescheid in Höhe von insgesamt 314.520 Euro und setzte hierin 274 Einzelgeldbußen zwischen 60 Euro und 6.300 Euro fest, weil die beim Betroffenen angestellten Fahrer von diesem unrichtige Urlaubsbescheinigungen ausgestellt bekommen und auf Grund seiner Vorgaben die höchstzulässige Tageslenkzeit (VO EWG Nr. 3820/85) überschritten hatten. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch verurteilte das Amtsgericht Karlsruhe den Betroffenen am 19.03.2004 nach Teileinstellung des Verfahrens und erfolgter Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz in 77 Fällen zu einer "Gesamtgeldbuße von 7.700 Euro".

Hiergegen richten sich die eingelegten Rechtsbeschwerden. Der Betroffene hält die Geldbuße für zu hoch, insbesondere habe das Amtsgericht seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht angemessen berücksichtigt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass der Büß- und Verwarnungsgeldkatalog Sozialvorschriften im Straßenverkehr des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik vom 18.12.2001 und die dort vorgesehenen Regelbußen nicht angemessen berücksichtigt worden seien.

II.

Beide Rechtsbeschwerden bedürfen der Zulassung.

1.

Zwar hat das Amtsgericht eine nach § 20 OWiG nicht statthafte Gesamtgeldbuße (Göhler, OWiG, 13. Aufl. 2002, § 20 Rn. 2) in Höhe von 7.700 Euro und damit eine Geldbuße über dem nach § 79 Abs.1 Nr. 1 OWiG für die Zulassungsfrage maßgeblichen Wert von 250 Euro festgesetzt, den Urteilsgründen ist jedoch zu entnehmen, dass der Tatrichter in Wirklichkeit 77 Einzelgeldbußen zu je 100 Euro verhängt hat, diese jedoch noch zusätzlich zu einer Gesamtgeldbuße addierte. In einem solchen Falle ist jedoch bei selbstständigen Taten im verfahrensrechtlichen Sinne auf den Wert der einzelne Geldbuße und nicht auf deren Gesamtwert abzustellen (vgl. OLG Köln NZV 1994, 292 f.; OLG Koblenz DAR 1994, 76 f.; OLG Hamm VRS 60, 466 f.; Göhler, OWiG, 13. Aufl. 2002, § 79 Rn. 18 a.E.). Auf Grund der wirksamen Beschränkung des Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch muss nach den getroffenen Feststellungen auch davon ausgegangen werden, dass der Betroffene seine Fahrer in jedem Einzelfall zur Überschreitung der zulässigen Lenkzeit angewiesen hat, so dass ein Fall, in welchem unzulängliche Urteilsgründe zu einer anderen Bewertung der Zulassungsfrage führen können (vgl. BayObLG VRS 87, 135 ff.), hier nicht vorliegt.

2.

Da damit gegen den Betroffenen lediglich Geldbußen von nicht mehr als 100 Euro verhängt wurden, wäre eine Zulassung der Rechtsbeschwerden nur zur Fortbildung des Rechts oder wegen Versagung rechtlichen Gehörs möglich (§§ 80 Abs.1 und Abs. 2 OWiG).

Diese Vorraussetzungen liegen nicht vor.

Ein Gehörsverstoß ist nicht geltend gemacht, ein solcher kann auch nicht in der nicht formgerecht ausgeführten - insoweit wird auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 10.08.2004 verwiesen -Aufklärungsrüge gesehen werden.

Auch ein Grund, der es geböte, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen, liegt nicht vor.

Die nach § 20 OWiG unzulässige Bildung einer Gesamtgeldbuße reicht hierfür nicht aus, zumal durch bloße Addition der Geldbußen das Kumulationsprinzip nicht verletzt wurde (vgl. auch OLG Hamm VRS 91, 156 f.). Auch die Frage, inwieweit für die gerichtliche Bußgeldbemessung auf einen amtlichen Bußgeldkatalog, welcher lediglich als verwaltungsinterne Weisung für die gleichmäßige Ahndung gleich gelagerter Verstöße sorgen soll, zurückgegriffen werden kann, ist obergerichtlich geklärt (vgl. OLG Karlsruhe VRS 67, 475 ff.; OLG Köln VRS 59, 393 f.; OLG Hamm VRS 91,156 ff.; Göhler, a.a.O., § 17 Rn. 32; Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblattsammlung, Stand Mai 2002, § 8 FPersG, Rn. 8). Danach sind die außerhalb der Ermächtigung nach § 26 a StVG ergangenen Bußgeldkataloge trotz Vorliegens einer Indizwirkung für Gerichte grundsätzlich nicht verbindlich, weshalb die Sätze des jeweiligen Bußgeldkataloges auf ihre Angemessenheit im Einzelfall näher zu überprüfen sind.

Auch der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass die Heranziehung derartiger Verwaltungsanweisungen nicht dazu führen darf, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vollkommen außer Betracht bleiben (vgl. Beschlüsse vo...

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