Leitsatz (amtlich)

1. Gehören zum angemessenen Unterhalt (§ 1610 Abs. 1 BGB) Kosten für eine Internatsunterbringung sowie hierbei anfallende Nebenkosten für Lehrmittel, Ausflüge, Kopien, Bastelbedarf sowie Materialien für eine Legasthenietherapie, handelt es sich nicht um Sonderbedarf, sondern um Mehrbedarf, der aus dem Elementarunterhalt aufzubringen ist.

2. Zur Frage, ob bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse während des Beschwerdeverfahrens für den Unterhaltsgläubiger eine Wahlmöglichkeit zwischen Anschlussbeschwerde und Abänderungsantrag besteht, wenn der Unterhaltsverpflichtete als Beschwerdeführer lediglich seine Verpflichtung zur Zahlung von rückständigem Kindesunterhalt, nicht jedoch auch zu laufendem Kindesunterhalt angegriffen hat (hier: offen gelassen).

3. Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Beteiligung an den durch die Internatsunterbringung verursachten Mehrkosten (im konkreten Fall verneint).

 

Verfahrensgang

AG Pforzheim (Aktenzeichen 7 F 72/17)

 

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

3 .Der Verfahrenswert wird auf 17.989,73 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Mehrbedarf für eine Unterbringung und Beschulung der Antragstellerin im Internat St. B.

Die Antragstellerin ist die am 08.04.2003 geborene Tochter der Antragsgegnerin. Die Ehe der Eltern, aus der auch der am 02.10.2004 geborene Bruder C. hervorgegangen ist, ist zwischenzeitlich geschieden. Nach der Trennung der Eltern im Jahr 2011 lebten beide Kinder zunächst bei der Antragsgegnerin in K. Die Antragstellerin wechselte im Sommer 2014 in den Haushalt ihres Vaters nach P. Dieser übt das Sorgerecht für die Antragstellerin in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmungsrecht und schulische Angelegenheiten allein aus. Mit Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 13.01.2016 (6 F 157/11) in der Fassung der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15.03.2018 (20 UF 35/16) wurde die Antragsgegnerin auf der Basis der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 720 EUR verpflichtet.

Bei der Antragstellerin besteht eine gravierende Störung schulischer Fertigkeiten, nämlich eine Lese-Rechtschreibschwäche und eine Rechenschwäche, bzw. eine kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten (fachärztliches Attest vom 05.05.2017, AS I 21).

Am Ende der Grundschulzeit erhielt die Antragstellerin eine Empfehlung für den Besuch einer Realschule oder einer Gemeinschaftsschule (AS I 85). In ihrem Abschlusszeugnis der Grundschule (AS I 97) erzielte die Antragstellerin im Fach Mathematik die Note ausreichend (4) und im Fach Deutsch die Note gut (2). Ab dem Schuljahr 2013/2014 (5. Klasse) besuchte die Antragstellerin entgegen der Grundschulempfehlung gleichwohl das St. D.-Gymnasium in K. Zeitgleich besuchte sie ab September 2013 das Legasthenie-Institut K. "B. e.V." (AS I 117), wobei zunächst die Dyskalkulie therapiert wurde. Ab Juli 2014 schloss sich eine Legasthenie-Therapie an. Im Schulzeugnis der 5. Klasse des St. D.-Gymnasiums (AS I 131) erzielte die Antragstellerin im Fach Mathematik die Note befriedigend (3), im Fach Deutsch die Note ausreichend (4) und im Fach Französisch die Note mangelhaft (5).

Im Sommer 2014 wechselte die Antragstellerin in den Haushalt des Vaters nach P., der ihr im ersten Halbjahr des Schuljahres 2014/2015 (6. Klasse) weiterhin den Besuch des St. D.-Gymnasiums in K., nicht aber den weiteren Besuch des Legasthenie-Instituts in K. ermöglichte. Im ersten Halbjahr des Schuljahres 2014/2015 verschlechterten sich die Noten der Antragstellerin (AS I 187). Zum zweiten Halbjahr des Schuljahres 2014/2015 wechselte die Antragstellerin in das K.-Gymnasium in P. und wurde dort in die 5. Klasse zurückgestuft. Im Schulzeugnis der 5. Klasse des K.-Gymnasiums (AS I 197) erzielte die Antragstellerin im Fach Mathematik die Note befriedigend (3) und in den Fächern Deutsch und Englisch die Note mangelhaft (5). Im Schulzeugnis der 6. Klasse des K.-Gymnasiums (AS I 193) erzielte sie in den Fächern Mathematik und Deutsch die Note ausreichend (4), im Fach Englisch die Note mangelhaft (5) und im Fach Französisch die Note befriedigend (3).

Seit dem Schuljahr 2016/2017 besucht die Antragstellerin auf Veranlassung ihres Vaters das Internat St. B., für welches Pensionskosten in Höhe von monatlich ca. 1.400 EUR im Jahr 2016 (AS I 45/47) bzw. 1.470 EUR im Jahr 2017 und 2018 (AS I 49/51, 525, AS II, 97) sowie Nebenkosten für Lehrmittel, Ausflüge, Kopien, Bastelbedarf etc. in Höhe von durchschnittlich 100 EUR bis 150 EUR monatlich anfallen. Im dort angesiedelten Zentrum für individuelle Begabungsförderung erhält die Antragstellerin eine Legasthenie-Therapie (AS I 19, 53, 55, AS II, 107 f.), welche einmal wöchentlich für die Dauer von 45 Minuten stattfindet. Eine spezielle Therapie der Rechenschwäche findet nicht statt. Im Schuljahr 2016/2017 (AS I 199) erzielte die Antragstellerin in den Fächern Mathem...

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