Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert eines Herausgabeantrags im Verfahren der Einstweilige Verfügung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verlangt eine Antragstellerin im Wege der Einstweiligen Verfügung nach einem Rücktritt vom Vertrag die Herausgabe des verkauften Kraftfahrzeugs, ist für den Streitwert - wie im Hauptsacheverfahren - der Verkehrswert des Fahrzeugs maßgeblich.

2. Ein Abschlag vom Verkehrswert kommt nur dann in Betracht, wenn die Antragstellerin mit ihrem Antrag im Verfahren der Einstweiligen Verfügung erkennbar nur eine vorläufige Regelung erstrebt, wie z. B. bei der Herausgabe an einen Sequester. Aus der Formulierung im Antrag "Herausgabe an den Gerichtsvollzieher bzw. an die Antragstellerin selbst" ergibt sich eine vorläufige Regelung, die zu einer Reduzierung des Streitwerts führen könnte, nicht.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Aktenzeichen 2 O 315/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Landgericht Offenburg - in Abänderung der Festsetzung im Beschluss des Landgerichts vom 04.11.2019 - auf 8.800,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat im Verfahren vor dem Landgericht Offenburg im Wege der einstweiligen Verfügung Herausgabe eines Kraftfahrzeugs von den beiden Antragsgegnerinnen verlangt. Ihren Antrag hat die Antragstellerin wie folgt formuliert:

Die Antragsgegnerin zu Ziffer 1. und 2. hat das in deren Besitz befindliche Kraftfahrzeug der Marke Renault Twingo, ..., an den Gerichtsvollzieher bzw. an die Antragstellerin selbst, hilfsweise an einen vom Gericht zu bestellenden Sequester herauszugeben.

Die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume nebst Garagen der Antragsgegner Ziffer 1. und 2. zur Vollstreckung der Herausgabe wird gestattet.

Zur Begründung hat die Antragstellerin angegeben, sie habe das Fahrzeug an die Antragsgegnerin Ziffer 1 verkauft; diese habe den Kaufpreis nicht bezahlt. Daher sei die Antragstellerin vom Kaufvertrag zurückgetreten. Das Fahrzeug befinde sich inzwischen bei der Antragsgegnerin Ziffer 2. Es sei der Antragstellerin nicht zuzumuten, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten; denn dieses sei zeitintensiv. Außerdem sei zu befürchten, dass sich die Antragsgegnerinnen des Fahrzeugs in der Zwischenzeit entledigen könnten.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.10.2019 hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen. Das Landgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 04.11.2019 der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert auf 4.400,00 EUR festgesetzt. Bei der Streitwertfestsetzung im Verfahren der einstweiligen Verfügung gehe es nur um das Interesse der Antragstellerin an einer Sicherstellung des Fahrzeugs, und nicht um das Befriedigungsinteresse. Deshalb sei der Streitwert lediglich mit der Hälfte des Werts des Kraftfahrzeugs festzusetzen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen. Sie beantragen, den Streitwert auf 8.800,00 EUR festzusetzen. Bei einem Herausgabeantrag im Wege der einstweiligen Verfügung sei auch für das Verfahren der einstweiligen Verfügung der Hauptsachewert maßgeblich. Denn die Antragstellerin habe in erster Linie nicht eine Herausgabe des Fahrzeugs zur Sicherstellung an einen Sequester verlangt, sondern eine Herausgabe an sich selbst.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 12.11.2019 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vorgelegt. Das Landgericht hat darauf hingewiesen, aus dem Charakter eines Antrags im einstweiligen Verfügungsverfahren ergebe sich, dass die Antragstellerin lediglich eine vorläufige Regelung beantragt habe.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen. Maßgeblich für den Streitwert sei, dass die Antragstellerin nicht ausschließlich die Herausgabe an sich selbst beantragt habe, sondern an den Gerichtsvollzieher und hilfsweise an einen Sequester.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen ist zulässig gemäß §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen sind berechtigt, eine Beschwerde im eigenen Namen einzulegen, da ein höherer Streitwert zu höheren Anwaltsgebühren führt.

2. Die Beschwerde ist begründet. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Landgericht ist auf 8.800,00 EUR festzusetzen.

a) Maßgeblich für die Streitwertfestsetzung ist gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO das vom Gericht zu schätzende Interesse, welches die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgt hat. Bei einem Herausgabeantrag entspricht das Interesse der Antragstellerin dem Wert des herauszugebenden Gegenstandes (vgl. Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2020, § 3 ZPO Rn. 16.92). Da der Wert...

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