Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Zur Verwertbarkeit von Beweismitteln, die auf Grund fehlender oder fehlerhafter Anordnungen ärztlicher Eingriffe gewonnen wurden.

  • 2.

    Die Verabreichung eines Abführmittels zur Ausscheidung im Körper des Beschuldigten befindlicher Beweismittel bedarf grundsätzlich einer richterlichen Anordnung gemäß § 81 a Abs. 2 StPO.

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den den Haftbefehl des Amtsgerichts L. vom 9. Januar 2004 aufrechterhaltenden Beschluss des Landgerichts F. vom 5. März 2004 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Am 9.1.2004 erließ das Amtsgericht L. gegen den am 8.1.2004 vorläufig festgenommenen Beschuldigten einen auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Mit Beschluss vom 5.3.2004 hat das Landgericht F. die am 4.2.2004 eingegangene Haftbeschwerde zurückgewiesen. Die am 11.3.2004 eingekommene weitere Haftbeschwerde, die erst am 20.4.2004 dem Senat vorgelegt wurde, bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Beschuldigte ist der im Haftbefehl genannten Straftat - nach Maßgabe der in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft L. vom 14.4.2004 bezeichneten Betäubungsmittelmengen - dringend verdächtig. Danach soll er in 98 sog. Body-Packs 954 g Kokaingemisch mit einem KHCL-Gehalt von rund 747 g, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war, transportiert haben. Dieser Verdacht gründet sich auf die Angaben des Beschuldigten, der gegenüber den Grenzschutzbeamten nach Belehrung gem. § 136 StPO gesprächsweise eingeräumt hat, dass die inkorporierten "Bodypacks" Kokain enthielten, er ca. 70 solcher Beutel geschluckt habe und für die Fahrt 1500 EUR erhalten solle. Die in der Beschwerdebegründung erhobenen Bedenken hinsichtlich der Verwertbarkeit dieser Angaben, weil der Beschuldigte möglicherweise nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht über sein Recht, zunächst einen Verteidiger zu befragen, belehrt worden sei, teilt der Senat nicht. Nach den Vermerken der Beamten ZHS R. und ZBI O. vom 8. und 9.1.2004 wurde der Beschuldigte vor dieser Einlassung gem. § 136 StPO belehrt, was auch den Hinweis, dass es ihm freistehe, vor einer Einlassung einen Verteidiger zu befragen, beinhaltet. Anhaltspunkte für die Annahme, dass diese Belehrung entgegen der Darstellung der Grenzschutzbeamten unterblieben ist, sieht der Senat nicht. In der Beschwerdeschrift selbst wird nicht sicher behauptet, der Beschuldigte sei nicht über sein Recht zur Verteidigerbefragung belehrt worden. Dies wird vielmehr nur aus dem Verhalten der Ermittlungsbeamten gegenüber dem Verteidiger während eines Telefongespräches am 9.1.2004 geschlossen. Dass dem Beschuldigten jedoch schon vor dem am 9.1.2004 nach 14.30 Uhr stattgefundenen Telefongespräch mit dem Verteidiger sein Recht auf Verteidigerbefragung bekannt war, ergibt sich daraus, dass er sowohl bei der förmlichen Vernehmung durch die Zollbeamten am 8.1.2004 um 17.15 Uhr als auch bei seiner richterlichen Einvernahme im Rahmen der Haftbefehlseröffnung am 9.1.2004 um 13.35 Uhr angab, erst nach Rücksprache mit einem Verteidiger Angaben machen zu wollen. Auch dass der Beschuldigte, der nigerianischer Abstammung ist, aber die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, aufgrund sprachlicher Probleme die offensichtlich in deutscher Sprache erfolgte Belehrung nicht verstanden haben könnte, drängt sich nicht auf, zumal im Protokoll über die Haftbefehlseröffnung vom Haftrichter festgehalten wurde, dass der Beschuldigte über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt.

Der dringende Tatverdacht gründet sich darüber hinaus auf die im Beisein von Zollbeamten im Krankenhaus ausgeschiedenen, mit Kokain gefüllten 98 "Bodypacks". Bedenken gegen die Verwertbarkeit dieser Beweismittel bestehen im Ergebnis nicht. Allerdings begegnet die vorangegangene, von der Staatsanwaltschaft angeordnete Röntgenuntersuchung des Beschuldigten rechtlichen Bedenken. Die körperliche Untersuchung eines Beschuldigten, zu der auch die Röntgenuntersuchung zählt (LR-Krause zu § 81 a Rn. 59), darf auch dann, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst und ohne Nachteil für die Gesundheit vorgenommen wird (§ 81a Abs. 1 S. 2 StPO), nach § 81a Abs. 2 StPO nur aufgrund richterlicher Anordnung erfolgen. Eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft kommt nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung in Betracht. Vorliegend kann eine solche Gefahr im Verzug (LR-Krause zu § 81 a Rn. 66), deren Annahme sich auf den Einzelfall bezogene Tatsachen stützen muss und deren Vorliegen uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegt (BVerfG NJW 2001, 1121, 1123), nicht festgestellt werden. Diese volle gerichtliche Kontrolle fordert von dem die Untersuchung anordnenden Beamten eine zeitnahe Dokumentation der für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und insbesondere auch der Umstände, auf die sich die Gefahr des Beweismittelverlustes stützt (vgl. BVerfG NJW 2001, 1121, 1124; OLG Koblenz NStZ 2002,...

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