Leitsatz (amtlich)

1. Alleiniger Gegenstand der im zweiten Rechtszug erhobenen Beschleunigungsrüge ist die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht. Entsprechendes gilt für die gegen die Zurückweisung dieser Beschleunigungsrüge erhobene Beschleunigungsbeschwerde.

2. Gleichwohl ist die gesamte Zeit seit Anhängigkeit in die Prüfung einzubeziehen, weil die Gesamtdauer des Verfahrens dafür maßgeblich sein kann, wie beschleunigt das Beschwerdeverfahren zu führen ist.

3. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz vorliegt, ist auch zu berücksichtigen, dass dem Ausgangsgericht aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit bei der Verfahrensgestaltung ein Gestaltungsspielraum zukommt.

4. Maßnahmen, die auf einer richterlichen Sachverhaltsaufklärung beruhen, stellen Rechtsanwendung dar und sind der Beurteilung des Beschwerdegerichts im Verfahren nach § 155c FamFG grundsätzlich entzogen.

 

Verfahrensgang

AG Baden-Baden (Aktenzeichen 3 F 161/17)

 

Tenor

1. Die Beschleunigungsbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist eine Beschleunigungsrüge in einem Verfahren vor einem anderen Senat des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht. Das Hauptsacheverfahren mit dem Aktenzeichen 16 UF 39/19 betrifft die Beschwerde des Antragstellers gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 10.1.2019. In dem Beschluss hat das Amtsgericht eine Regelung zum Umgang des Antragstellers mit seinem Sohn V. Sch., geboren am ..., getroffen. Ende Januar 2019 ist die Antragsgegnerin mit V. nach S./B. umgezogen.

Das Oberlandesgericht hat gemäß Ziffer 1. des Beschlusses vom 30.1.2020, dem Antragsteller zugestellt am 4.2.2020, die Beschleunigungsrüge des Antragstellers zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss vom 30.1.2020 verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschleunigungsbeschwerde im Schreiben vom 17.2.2020, am selben Tag bei Gericht eingegangen. Zur Begründung trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, es bestehe bereits seit 14.8.2017 eine Umgangsregelung, die nicht dem Kindeswohl entspreche. Eine Umsetzung des unmissverständlichen Gutachtens vom 5.11.2018 und der Empfehlung der Verfahrensbeiständin bezüglich einer Ausweitung auf mehrtägige Übernachtungen und Reisen des Kindes sei nicht erfolgt. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts sei keine weitere Sachaufklärung mehr erforderlich gewesen. Besondere Schwierigkeiten in der Sache seien nicht festzustellen. Eine Orientierung der Familiengerichte am Kindeswohl sei angesichts des Verhaltens der Mutter nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. des Schreibens vom 17.2.2020 verwiesen.

II. Die Beschleunigungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Zuständig für die Entscheidung über die gemäß §§ 155c Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschleunigungsbeschwerde ist gemäß § 155c Abs. 2 Satz 2 FamFG i.V.m. der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe der erkennende Senat. Der Senat hat gemäß §§ 155c Abs. 3 Satz 1 FamFG nach Aktenlage zu entscheiden.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Oberlandesgericht hat nicht gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot verstoßen.

Gemäß § 155c Abs. 3 Satz 3 FamFG ist im Rahmen der Beschleunigungsbeschwerde zu prüfen, ob die bisherige Dauer des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.

Eine generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist nicht möglich (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Das Beschwerdegericht hat vielmehr unter Orientierung am Kindeswohl zu prüfen, ob die Dauer des bisherigen Verfahrens den Anforderungen des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes entspricht und das Ausgangsgericht die notwendigen verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen hat (BT-Drs. 18/9092 a.a.O.). Zweck der Beschleunigungsbeschwerde ist nicht die abstrakte Feststellung eines Verstoßes gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot, sondern die Beschleunigung des Verfahrens (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 155c FamFG Rn. 5). Stellt das Beschwerdegericht einen Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot fest, hat das Ausgangsgericht das Verfahren unverzüglich vorrangig und beschleunigt durchzuführen, § 155c Abs. 3 Satz 4 FamFG. Die Feststellung eines Verstoßes gegen den Vorrang- und Beschleunigungsgrundsatz setzt daher voraus, dass das Ausgangsgericht gegen diesen Grundsatz verstoßen hat. Ausgangsgericht ist das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht des Hauptsacheverfahrens, mit dem 16. Zivilsenat - Familiensenat - als zuständigem Spruchkörper. Allein dessen Verfahrensweise als Beschwerdegericht ist zulässiger Gegenstand der erst im zweiten Rechtszug erhobenen Beschleunigungsrüge und nicht e...

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