Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorhandensein einer 5 cm hohen, in Fahrtrichtung 45 ° schräg verlaufenden Asphaltkante auf einem für den Radfahrverkehr freigegebenen unbeleuchteten Uferweg stellt eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar.

2. Die Nichtbeachtung des Sichtfahrgebots durch den Radfahrer rechtfertigt in einem solchen Fall einen Eigenverschuldens- bzw. Mitverschuldensanteil von 50 %.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 06.03.2013; Aktenzeichen 016 O 394/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6.3.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des LG Münster (16 O 394/12) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den weiteren künftigen unfallbedingten materiellen Schaden aus Anlass des Unfallgeschehens vom 3.4.2012 auf dem Radweg am Dortmund/Ems-Kanal zu 50 % und den zukünftigen, nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Eigenverschuldens i.H.v. 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Im Übrigen ist die Klage unter Berücksichtigung eines klägerischen Mitverschuldens i.H.v. 50 % dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Wegen der Entscheidung zur Höhe wird der Rechtsstreit an das LG Münster zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens und begehrt Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden anlässlich eines Fahrradunfalls vom 3.4.2012 gegen 20:45h auf dem unbeleuchteten Uferweg des Dortmund - Ems Kanals in N. Der Kläger hat behauptet, in Höhe des Bootshauses des beklagten Vereins an einer 5 cm hohen, schräg verlaufenden Abbruchkante des an dieser Stelle aus Beton bestehenden Bodenbelages mit dem Vorderrad abgerutscht und zu Fall gekommen zu sein. Durch das angefochtene Urteil, auf das gem. § 540 ZPO verwiesen wird, soweit sich aus dem Nachstehenden nichts anderes ergibt, hat das LG nach der Vernehmung von Zeugen die Klage mit der Begründung abgewiesen, der beklagte Verein sei für den Uferweg im Bereich des Bootshauses nicht verkehrssicherungspflichtig. Zwar habe der Beklagte durch einen im Jahre 1984 mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrag - ebenso wie zuvor im Jahre 1981 schon die Stadt N - die Verkehrssicherungspflicht übernommen. Gleichwohl hafte der Beklagte dem Kläger aber nicht. Denn die Nutzung des Uferweges durch Fußgänger und Radfahrer sei von der Stadt N eröffnet worden, so dass diese für die Verkehrssicherheit des Weges einzustehen habe und dieser Verpflichtung nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme auch faktisch nachgekommen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.

Die Begründung des LG, wonach der Beklagte nicht für den gefahrlosen Zustand des Weges einzustehen habe, sondern diese Verpflichtung allein der Stadt N obliege, vermöge nicht zu überzeugen. Übernähmen mehrere natürliche oder juristische Personen nebeneinander vertraglich die Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Wegeeigentümer, hafte jeder von ihnen für die ordnungsgemäße Erfüllung der übernommenen Pflicht. Übernehme im Innenverhältnis eine der Parteien diese Pflicht, entfalte diese Regelung keine Außenwirkung mit der Folge, dass der im Innenverhältnis Freigestellte weiterhin dem Dritten im Außenverhältnis hafte.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte nach den Schlussanträgen erster Instanz zu verurteilen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Kläger gem. § 141 ZPO persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C sowie durch Einholung eines lichttechnischen schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. T. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk vom 15.11.2013 und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 28.5.2014 Bezug genommen.

II. Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Hinblick auf das Schadensersatz- und Schmerzensgeldverlangen jedoch nur, soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung nach Erlass eines Teilurteils zum Grund begehrt.

Das Urteil des LG beruht auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 513 ZPO. Zu Unrecht hat das LG einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegen den Beklagte gem. §§ 823, 253 BGB abgelehnt.

A. Der Beklagte ist neben der Stadt N Verkehrssicherungspflichtiger gem. § 823 BGB für die Instandhaltung des vor seinem Bootshaus gelegenen Bereichs des Uferweges des Dortmund - Ems Kanals.

1. Die als Eigentümerin des Ufer...

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