Leitsatz (amtlich)

›Treffen zwei Hundehalter zusammen und wird einer von ihnen, während die Hunde miteinander spielen, von dem fremden Hund umgerannt und verletzt, muß er sich die Tiergefahr seines eigenen Hundes gem. §§ 833, 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen.‹

 

Verfahrensgang

LG Essen (Entscheidung vom 11.10.1993; Aktenzeichen 6 O 152/93)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 11. Oktober 1993 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen im Feststellungsausspruch abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 2/3 aller materiellen Schäden aus dem Unfall vom 31.08.1992 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind, ferner alle weiteren immateriellen Schäden unter Berücksichtigung einer eigenen Mitverantwortung in Höhe von 1/3.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/8, der Beklagte zu 7/8.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Parteien: unter 10.000,00 DM.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung für weitere materielle und immaterielle Schäden aus einem Unfall vom 31. August 1992 auf dem Uferweg des ... Sees in der Nähe des Campingplatzes und der Gastwirtschaft "...". Die Klägerin ging an diesem Tage mit ihrem Ehemann und ihrem Hund, einem Riesenschnauzer, auf dem unbefestigten Ruhrwiesenweg spazieren. Dort trafen sie den Beklagten, der mit einem 9 Monate alten Bullterrier unterwegs war. Als man gemeinsam in Richtung auf den Campingplatz zurückging, liefen die Hunde frei herum. In tierischem Spiel verfolgten sie einander, der Riesenschnauzer vorweg, der Bullterrier hinterher.

Nach dem Vortrag der Klägerin sind die Hunde auf die Dreiergruppe (Parteien und Ehemann der Klägerin) zugelaufen. Während der Riesenschnauzer zwischen ihr und dem Beklagten - sie seien etwa ½ bis 1 m auseinander gewesen - hindurchgelaufen sei, sei der dem Riesenschnauzer folgende Bullterrier in vollem Lauf gegen ihr linkes Knie gerannt, und zwar gerade zu einem Zeitpunkt, in dem sie sich in einer halben Drehbewegung nach hinten umgewandt habe. Unstreitig ist die Klägerin zu Fall gekommen und mit schweren Verletzungen im linken Kniebereich ins Krankenhaus eingeliefert worden.

Der Beklagte hat vorgetragen, zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin gestürzt sei, hätten sich die Hunde in deutlicher Entfernung von der Personengruppe aufgehalten. Sie habe in plötzlicher Angst, daß ihr eigener Riesenschnauzer in sie hineinlaufen werde, plötzlich einen Schritt nach hinten in den ungefestigten Wiesenuntergrund gemacht, dort jedoch keinen Halt gefunden, sei umgeknickt und umgefallen.

Mit dem zusätzlichen Vortrag, der Beklagte habe alsbald nach dem Unfall sowohl ihrem Ehemann gegenüber, wie auch gegenüber der Zeugin ... eingeräumt, daß sein Hund sie umgerannt habe, und dem weiteren Vortrag, sie habe operiert und zweimal stationär behandelt sowie krankengymnastisch nachbehandelt werden müssen, außerdem werde ein Dauerschaden verbleiben, hat die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000,00 DM sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden begehrt.

Das Landgericht hat nach Vernehmung mehrerer Zeugen den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es sieht als bewiesen an, daß der Hund des Beklagten die Klägerin am Knie verletzt hat.

Mit der Berufung erstrebt der Beklagte Abweisung der Klage und wiederholt seinen Vortrag, die Klägerin sei nicht infolge eines Zusammenpralls mit dem Hund umgeknickt; die Hunde hätten sich gar nicht in der Nähe befunden. Ursache des Unfalls sei allein eine unglückliche Schrittbewegung. Jedenfalls treffe sie aber eine Mitverantwortung, weil die Tiergefahr ihres eigenen Hundes mitgewirkt habe. Außerdem sei das Schmerzensgeld zu hoch.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Der Hund sei von hinten in vollem Lauf gegen ihr Knie gestoßen, nachdem ihr eigener Hund bereits zwischen ihr und dem neben ihr gehenden Beklagten hindurchgelaufen sei. Nachdem sie zunächst einen halben Schritt nach rechts gemacht habe, habe sie sich nach links gedreht und sei in dieser Bewegung vom Hund des Beklagten angerannt worden. Dieser habe allein den Unfall verursacht. Ihre erheblichen Verletzungen rechtfertigten sogar ein deutlich höheres Schmerzensgeld.

Der Senat hat die Parteien gemäß § 141 ZPO gehört und die Zeugen ..., ..., ... und ... vernommen. Außerdem hat er ein zunächst schriftliches und dann mündlich erläutertes Gutachten des Gerichtsmediziners ... eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die gefertigten Berichterstattervermerke und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Abzuändern ist das landgerichtliche Urteil im Feststellungsausspruch; im übrigen bleibt es bestehen.

Der Beklagte ist der Klägeri...

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