Leitsatz (amtlich)

1. Eine Ablösung von Gebäudeteilen i.S.d. § 836 Abs. 1 BGB kann auch dann vorliegen, wenn die Stufe einer auf den Dachboden führenden Treppe beim Betreten bricht.

2. Wird eine Treppenstufe im Rahmen ihrer zulässigen Belastbarkeit betreten und bricht sodann, streitet der Anscheinsbeweis für fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung. Der Hausbesitzer kann sich nicht erfolgreich mit dem Hinweis entlasten, weiter gehende Maßnahmen als Sichtprüfungen seien nicht zumutbar und bei einer bloßen Sichtprüfung hätte ein Schaden an der Holzstufe nicht erkannt werden können.

3. Das Zivilgericht muss einen Rechtsstreit nicht nach § 108 Abs. 2 S. 1 SGB VII aussetzen, um die Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls und das Eingreifen der Haftungsbeschränkung nach §§ 104 ff. SGB VII herbeizuführen, wenn eine Haftungsbeschränkung zwar geltend gemacht wird, hierfür aber keine greifbaren Anhaltspunkte vorliegen.

 

Normenkette

BGB § 836; SGB VII § 108 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 09.12.2011; Aktenzeichen 010 O 258/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 9.12.2011 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.240,51 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.1.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 8.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.1.2011 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den infolge des Unfalls vom 20.3.2010 noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger 775,64 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.7.2011 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 13 % und die Beklagte zu 87 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die landgerichtliche Entscheidung greift der Kläger mit seiner Berufung an, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt. Er macht geltend, die Beweiswürdigung des LG sei fehlerhaft. Es sei nicht bewiesen, dass der Zeuge L ihm das Betreten der Leiter untersagt habe. Er sei im Gegensatz zum älteren und gehbehinderten Zeugen L in der Lage gewesen, die teils sperrigen Gegenstände wie Matratzen und Stühle über die Bodentreppe hinunter zu tragen. Die Beklagte treffe entgegen der Auffassung des LG auch eine Prüfpflicht in Bezug auf die Leiter. Diese habe sie verletzt. In dem Mehrfamilienhaus werde die Treppe regelmäßig auch von Mietern benutzt und müsse daher einer regelmäßigen Untersuchung unterzogen werden.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des LG Münster

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.879,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.1.2011 zu zahlen, sowie

2. an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber 10.000 EUR, nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.1.2011 zu zahlen, sowie

3. festzustellen, dass die Beklagte ihm den infolge des Unfalls noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen hat, sowie

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 837,52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.7.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil. Sie meint, der Senat sei an die Feststellungen des LG gebunden. Dem Kläger sei das Betreten der Treppe untersagt worden, was schon einem Anspruch entgegenstünde. Zudem stützt die Beklagte die Auffassung des LG, es habe keine regelmäßige Prüfpflicht bestanden, zumal die Treppe nur von einem kleinen Personenkreis benutzt werde. Hinweise auf eine Beschädigung der Treppe habe auch der Kläger trotz Untersuchung der Treppe nicht gefunden.

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche in der tenorierten Höhe zu.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz gem. §§ 836 Abs. 1, 249, 253 BGB. Die Beklagte haftet für die dem Kläger entstandenen Schäden als Besitzerin ihres Hauses in der F-Straße in T2.

1. Im Haus der Beklagten hat sich durch das Bersten der Treppenstufe in der damals unvermieteten Wohnung ein Gebäudeteil im Sinne der Norm des § 836 BGB abgelöst. Eine Sache ist u.a. dann ein Teil eines Gebäudes, wenn sie in einem so festen baulichen Zusammenhang mit dem Gebäude steht, dass sich daraus nach der Verkehrsanschauung ihre Zugehörigkeit zum Bauganzen ergibt (BGHVersR 1985, 666). Es kommt auf die sachgerechte Einfügung der Teile zu...

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