Leitsatz (amtlich)

1. Im Bereich eines Kirmesplatzes zur Versorgung der Fahrgeschäfte mit Strom und Wasser verlegte Leitungen sind so zu führen, dass das dem Besucher grundsätzlich bekannte bestehende Stolper- und Sturzrisiko dubestehende Stolper- und Sturzrisiko durch eine sorgfältige Verlegung bzw Abdeckung der Leitungen möglichst minimiert wird.

2. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Versorgungsleitungen beliebig ohne erkennbare Streckenführung und ohne Sicherung gegen unbeabsichtigte Lageveränderungen lose verlegt werden.

3. Haben mehrere Schausteller durch unsorgfältige Verlegung ihnen zuzuordnender Versorgungsleitungen jeweils ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt, und lässt sich nicht feststellen, welche der unsachgemäß verlegten Leitungen nach Lageveränderung zum Sturz des Geschädigten geführt hat, lassen sich die bestehenden Urheberzweifel nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB überwinden.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 17.06.2014; Aktenzeichen 24 O 201/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.6.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 24. Zivilkammer des LG Dortmund unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Klage ist bezüglich der Klageanträge zu 1) und 3) dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Eigenverschuldens bzw. eines Mitverschuldensanteils der Klägerin i.H.v. 50 % gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren materiellen und zukünftigen nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus dem Sturzereignis vom 20.9.2009 auf der Hilsingstraße 2 in Kamen-Methler unter Berücksichtigung eines Eigenverschuldens- bzw. Mitverschuldensanteils der Klägerin i.H.v. 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.

Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Kosten der Berufung wird der Rechtsstreit an das LG Dortmund zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend und begehrt Feststellung für materielle und zukünftige immaterielle Schäden, die sie durch einen Sturz am 20.9.2009 während der alljährlich stattfindenden Pflaumenkirmes beim Verlassen ihres Wohnhauses Hilsingstraße 2 in Kamen-Methler erlitten hat, und den sie darauf zurückführt, dass sie über ein auf dem Bürgersteig vor ihrem Wohnhaus verlaufendes, dem Fahrgeschäft der Beklagten zuzuordnendes Versorgungskabel gestürzt sei. Hinsichtlich des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

Das LG hat die Klage nach Anhörung der Klägerin gem. § 141 ZPO abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nicht darzulegen vermocht, dass sie über ein der Beklagten zuzuordnendes Versorgungskabel und damit infolge eines der Beklagten anzulastenden Sorgfaltspflichtverstoßes zu Fall gekommen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Sie meint, das LG überspanne die Anforderungen an die Darlegungslast, wenn es von ihr verlange, konkret das Kabel zu bezeichnen, über welches sie zu Fall gekommen sei. Der Nachweis einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten sei schon dann geführt, wenn die vom LG nicht angehörten Zeugen bestätigen könnten, dass im Bereich der Sturzstelle auch Kabel der Beklagten verlegt gewesen seien.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern,

1. und die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren immateriellen und materiellen Schaden aus dem Unfall vom 20.9.2009 zu ersetzen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 9.693,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO hinsichtlich der Höhe der Zahlungsansprüche an das LG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Sachvortrages.

Der Senat hat die Kläger und den Geschäftsführer der Beklagten gem. § 141 ZPO angehört und die Zeugen Monika, Werner und Marc Rubeau, Markus Szczepanski, Fabian Lindner und Patrick Bügler vernommen. Wegen des wesentlichen Ergebnisses der Parteianhörung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke vom 16.01. und 3.3.2015 verwiesen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Feststellungsantrags in dem aus ...

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