Leitsatz (amtlich)

Das Land Nordrhein-Westfalen kann aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung für einen Fahrbahnbelag haften, der eine unzureichende Griffigkeit aufweist, wenn es aufgrund dieser Gefahrenquelle zu einem Motorradunfall kommt.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 14; Straßen- und Wegegesetz NW § 9; Straßen- und Wegegesetz NW § 9a

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Urteil vom 24.09.2014; Aktenzeichen 9 O 135/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.09.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer IV des LG Detmold unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.590,45 Euro sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,55 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2012 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ¼ und das beklagte Land ¾.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt mit dem Vorwurf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht infolge mangelnder Griffigkeit des Fahrbahnbelages von dem beklagten Land Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Motorrades I1 bei einem von ihr behaupteten Unfallgeschehen am ... 2012 um 9.40 Uhr auf der L. hinter der Ortsdurchfahrt M-L.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass das Land seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt habe. Aufgrund des von der Klägerin im selbstständigen Beweisverfahren LG Bielefeld, Aktenzeichen 18 0H 2/13, eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S sei davon auszugehen, dass feste Grenzwerte, ab denen bauliche oder verkehrslenkende Maßnahmen zu ergreifen seien, nicht existierten. Die Straße sei auch bei Nässe mit Wahrscheinlichkeit unfallfrei befahrbar gewesen. Eine Unfallhäufung im Sturzbereich sei von der Klägerin nicht substanziiert dargelegt worden. Es sei auch nicht erkennbar, dass den Mitarbeitern des beklagten Landes bei den durchgeführten Kontrollen die mangelnde Griffigkeit des Straßenbelages habe auffallen müssen. Hingegen hätte die Klägerin angesichts des Straßenbelages und der Witterung besondere Vorsicht walten lassen müssen, zumal sie einen anderen Motorradfahrer vor sich habe schlingern sehen.

Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Auffassung, dass das beklagte Land aufgrund der naheliegenden Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung von Verkehrsteilnehmern gehalten gewesen wäre, das vorhandene und aufgrund der fehlenden Rauheit der Fahrbahn bei einer Straßenkontrolle erkennbare Unfallrisiko zu beseitigen.

Die Klägerin beantragt, das am 24.09.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer IV des LG Detmold abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an sie 2.120,60 Euro sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 272,87 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2012 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen V und I sowie durch wiederholte Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen vom 22.05.2015 und vom

13.11.2015, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren nebst eingereichten Anlagen verwiesen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat weitgehend Erfolg.

Der Klägerin steht aufgrund ihres Motorradunfalles vom ... 2012 gegen 9.40 Uhr auf der L. kurz hinter der Ortsdurchfahrt M-L ein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Artikel 34 GG, 9, 9a Straßen- und Wegegesetz NW zu.

1. Aufgrund des Ergebnisses der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin am ... 2012 auf der L. bei regennasser Straße mit ihrem Motorrad gestürzt ist und das in ihrem Eigentum stehende Motorrad dadurch beschädigt wurde. Den Unfallhergang hat nicht nur die Klägerin plausibel bei ihrer Anhörung durch den Senat geschildert, sondern er wurde auch durch den Zeugen I glaubhaft bestätigt. Allein der Umstand, dass der Zeuge selbst Schadensersatzansprüche wegen eines von ihm nahezu zeitgleich erlittenen Sturzes gegen das beklagte Land geltend macht und er eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, macht seine Aussage nicht unglaubhaft. Vielmehr ist sie nicht nur mit der Geschehensschilderung der Klägerin, sondern auch mit den Feststellungen der Polizei ausweislich der beigezogenen Akten, Aktenzeichen 404000-027229-12/2 der Kreispolizeibehörde M vereinbar, da die zur Unfallstelle gerufenen Polizeibea...

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