Verfahrensgang

LG Bielefeld (Entscheidung vom 11.04.2003)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 11.04.2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.018,24 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2002 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 14.10.2001 zu ersetzen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 36 % und der Beklagte zu 64 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Eine Gruppe von mindestens 24 Personen, darunter die Parteien, unternahm am 14.10.2001 eine organisierte Fahrradtour und befuhr am späten Vormittag in T den N-Weg, einen asphaltierten Wirtschaftsweg mit unbefestigten Randstreifen. Die Klägerin radelte links neben der Zeugin F. Der Beklagte überholte die Klägerin links. Während dieses Überholmanövers sah sich die Klägerin zu einer Lenkbewegung veranlasst. Mit ihrem Vorderrad stieß sie schließlich gegen die hintere rechte Seite des Fahrrades des Beklagten, woraufhin sie stürzte und sich verletzte. Sie nimmt den Beklagten nunmehr auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei äußerst links auf der befestigten Fahrbahn gefahren. Der Unfall sei dadurch ausgelöst worden, dass der Beklagte ohne jegliche Vorankündigung sowie ohne genügenden Seitenabstand überholt habe, wobei es zu einem seitlichen Kontakt gekommen sei, noch bevor sie nach links gelenkt habe.

Der Beklagte hat sich damit verteidigt, dass der Seitenabstand der Parteien beim Beginn des Überholvorganges mindestens einen Meter betragen habe. Alleinige Unfallursache sei ein Fahrfehler der Klägerin, die abrupt nach links gelenkt habe, gewesen.

Das Landgericht hat die Klage nach Zeugenvernehmung abgewiesen, weil nicht bewiesen sei, dass der Beklagte mit unzureichendem Seitenabstand überholt habe, und der Beklagte seine Überholabsicht auch nicht akustisch habe ankündigen müssen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht u.a. geltend, die Beweisaufnahme sei unvollständig, weil das Landgericht davon abgesehen habe, aufzuklären, ob die zwischen den Parteien streitige Breite der Fahrbahn überhaupt hinreichend Platz für das Überholmanöver geboten habe.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat durch Gutachten des Sachverständigen C2 ergänzend Beweis erhoben.

II.

Die Berufung hat Erfolg. Denn die Klage ist überwiegend begründet.

1. Gemäß §§ 847 a.F., 823 BGB steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 Euro zu. Denn der Unfall der Klägerin vom 14.10.2001 geht ursächlich darauf zurück, dass der Beklagte beim Überholen nicht die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest.

Zwar ist es während des Überholens nicht zu einem Anstoß gegen den Körper der Klägerin gekommen. Es kann auch dahinstehen, ob der Beklagte bzw. sein Fahrrad gegen den hinteren Bereich des Fahrrades der Klägerin getroffen ist, wie die Klägerin sowohl bei ihrer erstinstanzlichen als auch bei ihrer zweitinstanzlichen Anhörung geäußert hat. Technisch ist eine solche Berührung nicht völlig auszuschießen. Dagegen spricht aber, wie das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C2 ergeben hat, dass es in einem solchen Falle nahegelegen hätte, dass der Beklagte gestürzt wäre und ferner, dass es während des Überholvorganges zu einer Berührung des linken Arms der Klägerin mit der rechten Körperseite des Beklagten gekommen wäre.

Aber auch ohne einen gegenseitigen Kontakt ist festzustellen, dass ein Fehler des Beklagten beim Überholen zum Sturz der Klägerin geführt hat. Der Beklagte hat zumindest eine Schreckreaktion der Klägerin ausgelöst, durch die diese aus dem Gleichgewicht gebracht worden ist und letztlich die Kontrolle über ihr Fahrrad verloren hat. Denn der Beklagte hat die Klägerin ohne Vorankündigung mit zu geringem Seitenabstand überholt. Wer überholt, darf dabei gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 StVO die überholte Person nicht behindern. Er muss auf die Fahrweise des eingeholten Verkehrsteilnehmers achten und darf ihn nicht gefährden. Auf die Möglichkeit geringfügiger seitlicher Fahrbewegungen des zu Überholenden einschließlich der aus unterschiedlichen Gründen oft leicht schwankenden Fahrlinie eines Radfahrers muss er sich einstellen. Auch zum Schutz Vorausfahrender hat der Überholer seine Überholabsicht rechtzeitig und deutlich anzuzeigen. Auf schmalen Straßen darf erst nach Verständigung überholt werden. Daher kann, wer auf schmalem Radweg einen anderen Radfahrer durch Überholen gefährden würde, zur Abgabe eines Klingelzeichens verpflichtet sein, zumal die vorausfahrende Person an gefährlichen Stellen nicht mit Überholversuchen rechnen muss (vgl....

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