Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit der Genehmigung von Lastschriften für Steuerzahlungen einer Organgesellschaft für den Organträger

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Genehmigung von Lastschriften durch den vorläufigen Insolvenzverwalter liegt eine Rechtshandlung i.S. von § 129 InsO.

2. Die Tilgung von fremden Umsatzsteuerschulden innerhalb einer Organschaft ist gem. § 129 InsO anfechtbar.

3. Das beklagte Land als Gläubiger der Steuern ist Insolvenzgläubiger der Organgesellschaft. Das gilt auch dann, und zwar ungeachtet der steuerrechtlichen Betrachtungsweise des Bundesfinanzhofs (DStR 2009, 2670), da hinsichtlich der Insolvenzanfechtung eine rein zivilrechtliche Betrachtung anzustellen ist.

4. Aus der umsatzsteuerlichen Organschaft ergibt sich, dass sowohl die Organgesellschaft als auch der Organträger Steuerschuldner sind. Dies bedeutet, dass das Land als Gläubiger der Steuerforderung Insolvenzgläubiger der Organgesellschaft ist, wenn der Steuertatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.

 

Normenkette

InsO §§ 38-39, 129

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 21.01.2010; Aktenzeichen I-4 O 132/09)

BGH (Entscheidung vom 06.10.2009; Aktenzeichen IX ZR 191/05)

BFH (Entscheidung vom 23.09.2009; Aktenzeichen VII R 43/08)

BGH (Urteil vom 29.11.2007; Aktenzeichen IX ZR 121/06)

BGH (Entscheidung vom 01.02.2007; Aktenzeichen IX ZR 96/04)

BGH (Urteil vom 05.02.2004; Aktenzeichen IX ZR 473/00)

BGH (Urteil vom 16.09.1999; Aktenzeichen IX ZR 204/98)

BFH (Entscheidung vom 15.10.1996; Aktenzeichen VII R 46/96)

BGH (Entscheidung vom 22.10.1992; Aktenzeichen IX ZR 244/91)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.09.2011; Aktenzeichen IX ZR 202/10)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 21. Januar 2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. X GmbH (nachstehend Insolvenzschuldnerin). Er macht gegenüber dem beklagten Land Ansprüche aufgrund einer Insolvenzanfechtung geltend.

Es bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Insolvenzschuldnerin (= Organgesellschaft) und der Einzelfirma X (= Organträger). Die Insolvenzschuldnerin erteilte dem Finanzamt T2 eine Einzugsermächtigung für ihr Geschäftskonto bei der Sparkasse T2. Das beklagte Land zog für Umsatzsteuerforderungen per Lastschrift am 13.07.07 einen Betrag in Höhe von 10.714,95 EUR, am 14.08.07 einen Betrag in Höhe von 15.257,56 EUR und schließlich am 13.09.07 einen Betrag in Höhe von 14.232,73 EUR ein. Steuerschuldner dieser Forderungen war jeweils der Organträger, wobei die Umsatzsteuerzahllast bei der Insolvenzschuldnerin verursacht worden waren.

Der Insolvenzantrag über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde am 02.10.2007 gestellt. Am 11.10.2007 wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Dies teilte der Kläger dem Finanzamt T2 mit Schreiben vom 15.10.2007 mit und stimmte zugleich den Belastungsbuchungen zu. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.12.2007 eröffnet.

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 25.01.2008 die Insolvenzanfechtung wegen eines Betrages in Höhe von 55.351,41 EUR. Das Finanzamt T2 erkannte die Anfechtung wegen eines Betrages in Höhe von 14.845,17 EUR an und wies die Anfechtungsansprüche im Übrigen zurück.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Zahlungen seien anfechtbar erfolgt. Die Anfechtung sei gem. § 132 InsO gegeben, da eine fremde Schuld getilgt worden sei und es sich um eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung handele. Die Anfechtung sei zudem gem. § 130 I 1 Nr. 2 InsO begründet. Die Genehmigung der Lastschrift sei erst nach dem Eröffnungsantrag erfolgt. Hierdurch sei eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten. Das Finanzamt sei auch Insolvenzgläubiger. Auf die Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegenüber der Insolvenzschuldnerin komme es insoweit nicht an. Es sei unerheblich, dass die Zahlungen überwiegend aus dem eingeräumten Kreditrahmen erfolgt seien, da eine Gläubigerbenachteiligung auch bei Zahlung aus einer geduldeten Kontoüberziehung gegeben sei. Der Kläger hat seinen Anspruch hilfsweise auf § 812 BGB gestützt.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dass es an einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung fehle, da die Insolvenzschuldnerin die Ausgleichsforderung des Organträgers erspart habe. Weiter könne die Insolvenzanfechtung nicht auf §§ 130, 131 InsO gestützt werden, da die Insolvenzschuldnerin nicht Steuerschuldnerin gewesen sei. Sie sei vor Erlass eines Haftungsbescheides keine Haftungsschuldnerin. Eine Anfechtung gem. § 134 InsO sei nicht gegeben, da d...

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