Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 24.02.2009; Aktenzeichen 1 O 374/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen IX ZR 139/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. Februar 2009 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, die Freigabe des beim Amtsgericht Bochum (Geschäfts-Nr. 4 a HL 98/06) hinterlegten Betrages in Höhe von 17.529,36 € nebst Zinsen an die Klägerin zu bewilligen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Der Beklagte ist Treuhänder über das Vermögen des X.

Die Klägerin gewährte dem späteren Insolvenzschuldner in den Jahren 2003 und 2004 zwei Darlehen und ließ sich als Sicherheit dessen gegenwärtige und künftige Ansprüche auf Arbeitseinkommen jeder Art einschließlich der Ansprüche auf etwaige Abfindungen abtreten.

Am 17.5.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Am 31.3.2006 schied der Schuldner aus seinem Arbeitsverhältnis bei der Fa. F2 & F GmbH gegen Zahlung einer Abfindung aus.

Da beide Parteien des Rechtsstreits Anspruch auf die Auszahlung des Abfindungsbetrages erhoben, hinterlegte die Fa. F2 & F GmbH ihn beim Amtsgericht Bochum (4 aHL 98/06).

Mit der Klage hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

die Freigabe des bei dem Amtsgericht Bochum (4 aHL 98/06) hinterlegten Betrages in Höhe von 17.529,36 EUR nebst Zinsen an die Klägerin zu bewilligen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, während der Beklagte das landgerichtliche Urteil verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der von ihm innegehaltenen Sperrposition an dem hinterlegten Betrag zu, da der Beklagte diese Position ohne Rechtsgrund auf Kosten der Klägerin erlangte (§ 812 Abs. 1 BGB).

Der Anspruch auf Auszahlung der Abfindung stand der Klägerin zu, weil der Schuldner ihn an die Klägerin bereits vor Eröffnung der Insolvenzverfahrens in unanfechtbarer Weise abgetreten hatte.

Zwar handelte es sich seinerzeit noch um einen erst künftig entstehenden Anspruch, dessen mehraktiger Erwerbstatbestand sich tatsächlich erst nach Eintritt der Insolvenz vollendete. Dennoch ist die Abtretung insolvenzfest, weil es sich bei der abgetretenen Abfindung um "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" innerhalb des Zweijahreszeitraums nach Insolvenzeröffnung handelte (§ 114 Abs. 1 InsO).

1.

Dass arbeitsrechtliche Abfindungszahlungen unter den Begriff "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" im Sinne des § 114 Abs. 1 InsO fallen, wird in der Kommentarliteratur überwiegend bejaht (Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 114 Rdnr. 9; MünchKomm/Löwisch/ Caspers, InsO, § 114 Rdnr. 11; Nerlich/Römermann/Kießner, § 114 Rdnr. 24a; HamburgerKomm/Ahrendt, InsO, § 114 Rdnr. 4 und wohl auch Smid, InsO, § 114 Rdnr. 2; Graf-Schlicker/Pöhlmann, InsO, § 114 Rdnr. 6; HeidelbergerKomm/Irschlinger, InsO, § 114 Rdnr. 1; Hess, InsO, § 114 Rdnr. 14).

Anderer Auffassung sind Kübler/Prütting/Moll, InsO, § 114 Rdnr. 12 und Kreft/Lick, InsO, § 114 Rdnr. 5 mit der Begründung, Abfindungen seien "kein Entgelt" bzw. "keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen"; ferner im Anschluss daran FrankfurterKomm/Eisenbeis, InsO, § 114 Rdnr. 51.

Ebenfalls ablehnend vertritt Braun/Kroth, InsO § 114 Rdnr. 3, dass generell nur laufende Zahlungen erfasst seien und nicht Einmalzahlungen - selbst wenn sie ein Entgelt darstellten.

Das OLG Düsseldorf (ZInsO 2003, 1149) hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Begriff der "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" in § 114 Abs. 1 InsO sei weit zu verstehen und in Anlehnung an die §§ 850 ff. ZPO auszulegen.

2.

Der Senat hält arbeitsrechtliche Abfindungszahlungen vom insolvenzrechtlichen Begriff der "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" umfasst.

a)

Die wortlautorientierte Auslegung des § 114 Abs. 1 InsO ergibt, dass dem Begriff "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" gerade nicht das Wort "laufende" zugefügt ist, wie im nachfolgenden Passus. Es heißt nämlich: "Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge". Im Umkehrschluss lässt sich daraus folgern, dass es sich bei den "Bezügen aus dem Dienstverhältnis" nicht unbedingt um "laufende" Bezüge handeln muss, anders als bei den anschließend erwähnten Ersatzleistungen.

b)

Die historische und die systemati...

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