Leitsatz (amtlich)

Zu den Rücktrittsvoraussetzungen beim Verkauf eines verunfallten Fahrzeugs.

 

Normenkette

BGB §§ 433, 323

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 14.04.2016; Aktenzeichen 25 O 301/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.04.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 25. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.660 EUR EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2015 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Nissan Juke 1.5 dCI Tekna, Fahrzeug-Ident.-Nr. ..., zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin weitere 805,20 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.

II. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Die Klage ist begründet.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß den §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB die Rückabwicklung des im Februar 2015 geschlossenen Gebrauchtfahrzeugkaufvertrags verlangen.

a) Dass zwischen den Parteien spätestens am 16.02.2015 ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Gebrauchtfahrzeug vom Typ Nissan Juke zustande gekommen ist, ist nicht im Streit.

Auf die zwischen den Parteien kontrovers diskutierte Frage, ob der Vertrag bereits im Wege des von *Internetadresse* im Internet eröffneten Verfahrens durch Angebot und Zuschlag zustande gekommen ist, kommt es nicht an.

b) Die Klägerin ist mit Anwaltsschreiben vom 28.04.2015 berechtigt vom Kaufvertrag zurückgetreten.

c) Das von der Beklagten verkaufte Fahrzeug entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit und ist deshalb mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.

aa) Welche Beschaffenheit der Kaufsache die Parteien vereinbart haben, ergibt sich aus der am 16.02.2015 bei Abholung des Fahrzeugs unterzeichneten Kaufvertragsurkunde. Danach sollte das Fahrzeug unfallfrei sein und keine Nachlackierungen haben; angegeben war eine Beschädigung an der Tür vorn links in Form eines winzigen, kaum bemerkbaren Kratzers.

Entgegen der Einschätzung des LG ist diese einvernehmliche Fahrzeugbeschreibung zwar nicht als Garantie im Sinne des § 444 BGB auszulegen - diese vom LG in den Vordergrund gestellte Überlegung erscheint fernliegend -, jedoch als "einfache" Beschaffenheitsvereinbarung i.S. des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.

Enthält ein Kaufvertrag die uneingeschränkte Angabe, das verkaufte Fahrzeug sei unfallfrei, bringen die Parteien damit zum Ausdruck, dass sie einverständlich davon ausgehen, das Fahrzeug habe bis dahin keinen Unfallschaden erlitten, der über eine bloße Bagatellbeschädigung hinausgegangen ist. Mit der Angabe fehlender Nachlackierungen legen sie das Vorhandensein der Originallackierung als geschuldete Fahrzeugbeschaffenheit fest.

Im konkreten Fall ist nichts anderes anzunehmen.

Das gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass die klagende Käuferin Autohändlerin und die beklagte Verkäuferin Privatperson ist, dass die Beklagte - der Klägerin bekannt - nicht die Ersthalterin des Fahrzeugs war und die Klägerin vor Unterzeichnung des Kaufvertrags vom 16.02.2015 die Möglichkeit hatte, das Fahrzeug auf (Unfall-)Vorschäden, Nachlackierungen und sonstige Mängel zu untersuchen.

Die Aufnahme der Angaben zur Unfallfreiheit wie zu den fehlenden Nachlackierungen in den Vertrag belegt, dass u.a. diese Punkte für die Kaufentscheidung der Käuferin wichtig waren, sie also ansonsten den Vertrag nicht zu dem Preis bzw. zu diesen Konditionen abgeschlossen hätte. Das Interesse der Käuferin an der Unfall- und sonstigen Schadensfreiheit bestand - für die Gegenseite ersichtlich - im Hinblick auf die gesamte Lebenszeit des Fahrzeugs und nicht nur beschränkt auf die Besitzzeit der Verkäuferin. Und es bestand erkennbar auch unabhängig davon, ob bzw. inwieweit die private Verkäuferin in der Lage war, die Unfall-/Nachlackierungsfreiheit aus eigener Kenntnis zu beurteilen oder z.B. durch Nachfragen beim Vorbesitzer oder eigene Fahrzeuguntersuchungen in Erfahrung zu bringen.

Dass die Klägerin Wert darauf legte, vor Unterzeichnung des schriftlichen Kaufvertrags das Fahrzeug selbst zu untersuchen, bedeutete nicht, dass sie damit das Risiko übernehmen wollte, dass das Fahrzeug nicht den vorbezeichneten Angaben entsprach. Vielmehr ergab sich nicht zuletzt aus der zum Vertragsgegenstand erhobenen Email vom 11.02.2015 deutlich, dass die Klägerin diese Untersuchung nur im eigenen Interesse zur Vermeidung späterer Streitereien vornehmen wollte, aber nicht, um dadurch die Beklagte zu entlasten bzw. aus der Gewähr zu entlassen.

Die Beklagte brachte ihrerseits durch die Vertragsunterzeichnung zum Ausdruck, dass sie mit der Käufererwartung der Unfall-/Nachlackierungsfreiheit konform ging, also die betreffenden Besc...

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