Leitsatz (amtlich)

1. Der Rückgewähranspruch aufgrund einer Insolvenzanfechtung ist erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verzinsen (entgegen BGH v. 22.9.2005 - IX ZR 271/01, BGHReport 2005, 1619 = MDR 2006, 416 = ZIP 2005, 1888 [1889] und v. 23.3.2006 - IX ZR 116/03, BGHReport 2006, 877 m. Anm. Uhlenbruck = ZIP 2006, 916).

2. § 849 BGB ist nur bei körperlicher Entziehung einer gegenständlichen Sache anwendbar.

 

Normenkette

InsO § 143 InsO; BGB §§ 288, 291, 818-819, 849

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 25.10.2005; Aktenzeichen 6 O 139/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.12.2007; Aktenzeichen IX ZR 116/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.10.2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Siegen unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus weitere Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 70.000 EUR vom 21.1.2005 bis zum 21.4.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Gründe

(§ 540 ZPO)

A. Der Kläger ist seit Insolvenzeröffnung am 21.1.2005 Insolvenzverwalter über das Vermögen der N GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte ist. Dieser überwies in vier Teilbeträgen am 3., 7., 8., und 10.9.2004 aus dem Vermögen der Schuldnerin insgesamt 70.000 DM auf sein Privatkonto, bevor er am 20.9.2004 den Antrag auf Insolvenzeröffnung für die Schuldnerin stellte.

Der Kläger hat die Rückzahlung der überwiesenen Beträge einerseits aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung und andererseits als Schadenersatz aus unerlaubter Handlung wegen der in dem Vorgehen des Beklagten liegenden Insolvenzstraftaten verlangt und ferner, den Anspruch mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem jeweiligen Tag der einzelnen Überweisungen zu verzinsen.

Das LG hat der Klage im Hauptanspruch nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 22.4.2005 stattgegeben und sie wegen des weitergehenden Zinsanspruchs abgewiesen. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf weitergehende Verzinsung des Klageanspruchs weiter, während der Beklagte das landgerichtliche Urteil insoweit verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B. Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.

I. Der Kläger kann Zinsen in Höhe der verlangten fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz aus § 143 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 BGB verlangen. Diese Verzinsung beginnt jedoch erst am Tag der Insolvenzeröffnung, dem 21.1.2005.

Zwar hat der BGH mit seinen Urteilen vom 23.3.2006 (BGH v. 23.3.2006 - IX ZR 116/03, BGHReport 2006, 877 m. Anm. Uhlenbruck ; v. 22.9.2005 - IX ZR 271/01, BGHReport 2005, 1619 = MDR 2006, 416 = ZIP 2005, 1888 [1889]) die abweichende Auffassung vertreten - ohne dass es im Ergebnis darauf ankam -, die Zinsen eines Anfechtungsanspruch seien vom Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung an zu berechnen. Für den Senat ist jedoch nicht erkennbar, worauf diese Rechtsauffassung gründet.

§ 143 Abs. 1 InsO verweist hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Anfechtung auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist. Danach können Zinsen aus §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 BGB verlangt werden. Gemäß § 291 BGB beginnt die Verzinsung mit der Fälligkeit des Anfechtungsanspruchs. Da der Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters frühestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (vgl. BGH v. 18.5.1995 - IX ZR 189/94, MDR 1995, 1225 = NJW 1995, 2783 ff. für das Konkursverfahren) und erst dann fällig wird, ist die nach § 143 Abs. 1 InsO zurückzufordernde Geldleistung ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen.

Die Verzinsung ist bis zum 21.4.2005 auszusprechen, da sich über die Zeit vom 22. April an bereits das erstinstanzliche Urteil verhält.

II. Weitergehende Zinsansprüche aus § 849 BGB bestehen nicht. § 849 BGB bezieht sich auf die Verzinsung des zu ersetzenden Betrages bei Entziehung oder Beschädigung einer Sache. Mit dem Begriff "Entziehung" meint das Gesetz die körperliche Entziehung einer gegenständlichen Sache (§ 90 BGB).

Zwar kann die entzogene Sache i.S.d. § 849 ausnahmsweise auch ein Geldbetrag sein, wenn es sich um die körperliche Entziehung gegenständlicher Geldstücke oder -scheine handelt. So hat der BGH (BGH, BGHZ 8, 288) die Wegnahme von Geldscheinen durch Unterschlagung als eine Entziehung i.S.d. § 849 BGB angesehen - diese Feststellung aber bereits einen Leitsatz für wert gehalten -, ähnlich das OLG Düsseldorf die Vorenthaltung eines...

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