Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlleistung durch die persönliche Anwesenheit des Chefarztes

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Wahlleistungsvereinbarung mit dem Chefarzt, muss dieser - mit Ausnahme seiner Verhinderung - den Eingriff selbst durchführen.

Allein mit seiner Anwesenheit - z. B. als Anästhesist während der Operation - erfüllt der Chefarzt die Voraussetzungen an die persönliche Leistungserbringung nicht.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 280, 823

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Aktenzeichen 2 O 329/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. April 2017 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden den Beklagten auferlegt.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin ist gesetzlicher Krankenversicherer der am 00.00.1918 geboren und am 00.00.2012 verstorbenen Frau M (im Folgenden: Patientin) gewesen. Sie hat in der Hauptsache den Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 30.000,00 EUR begehrt.

Die Patientin befand sich vom 01.12.2011 in stationärer Behandlung im T-Krankenhaus der Beklagten zu 1). Insoweit bestand neben dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag eine Wahlleistungsvereinbarung vom 12.12.2011, die die Patientin, die bei der J AG zusatzversichert war, abgeschlossen hatte. Nach dieser Wahlleistungsvereinbarung war eine Chefarztbehandlung durch den Beklagten zu 2) vereinbart, der im Verhinderungsfall u.a. von der Beklagten zu 3) vertreten werden durfte.

Am 21.12.2011 führte die Beklagte zu 3) eine Koloskopie durch, bei der es zu einem Einriss im Bereich der Rektumschleimhaut kam, der auf Scherkräfte im Rahmen der Koloskopie zurückzuführen war. Der Beklagte zu 2) war bei der Operation anwesend. Er hatte dabei allerdings die Funktion des Anästhesisten.

Postoperativ wurde durch den Eingriff eine intensivmedizinische Behandlung mit Beatmung bis zum 30.12.2011 erforderlich. Während der intensivmedizinischen Behandlung trat eine Sepsis auf. Am 30.12.2011 wurde die Patientin auf die internistische Intensivstation verlegt, wo sie am 00.00.2012 verstarb.

Erstinstanzlich haben die Parteien insbesondere darüber gestritten, ob die Koloskopie indiziert gewesen ist, ob die Patientin zuvor hinreichend aufgeklärt worden ist, und ob der Eingriff schon mangels persönlicher Durchführung durch den Beklagten zu 2) rechtswidrig gewesen ist. Ferner haben die Beklagten die von der Klägerin erbrachten und berechneten Aufwendungen teilweise bestritten.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Die Durchführung der Koloskopie sei rechtswidrig gewesen, weil sie nicht von der Einwilligung der Patientin abgedeckt gewesen sei. Nach der abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung hätte die Koloskopie von dem liquidationsberechtigten Beklagten zu 2) durchgeführt werden müssen. Ein Verhinderungsfall habe nicht vorgelegen, weil der Beklagte bei dem Eingriff anwesend gewesen sei.

Wegen des Vorliegens eines nicht durch eine wirksame Einwilligung gedeckten Eingriffs seien die Beklagten verpflichtet, sämtliche darauf zurückführenden Aufwendungen als Schaden zu ersetzen. Das Bestreiten der Schadenspositionen sei angesichts der detaillierten Auflistungen der Klägerin unsubstanziiert.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das erstinstanzliche Begehren auf Klageabweisung weiter verfolgen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Aufgabenverteilung bei der Koloskopie den Anforderungen der Wahlleistungsvereinbarung entsprochen habe. Sie verweisen darauf, dass der Beklagte zu 2) persönlich anwesend gewesen sei. Er habe den gesamten Untersuchungsvorgang auf großen Videomonitoren simultan überwacht und ständig beobachtet. Seine Fähigkeiten, Erfahrungen und erweiterten Kenntnisse hätten deshalb zur Verfügung gestanden.

Überdies greife die Rechtsprechung zur Erbringung von Wahlleistungen deshalb nicht, weil es sich bei der Koloskopie nicht um eine Kernleistung gehandelt habe.

Hinzu komme, dass nach den aktuellen Leitlinien die Koloskopie mit Untersuchung und Sedierung zwingend von 2 Ärzten durchgeführt werden müsse. Die Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung enthalte deshalb zwingend auch die Einwilligung, dass anderes Personal an der Operation mitwirkt.

Überdies zeige die Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung, dass der Patientin nicht darum gegangen sei, dass ausschließlich der Beklagte zu 2) die Operation durchführt.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 28.4.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Siegen zum Az. 2 O 329/14 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Beklagte zu 2) hätte den Eingriff persönlich vornehmen müssen. Ein Vertretungsfall habe nicht vorgelegen. Die Patientin sei auch nicht über...

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