Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch neben Schadensersatzanspruch

 

Normenkette

BGB analog § 906 Abs. 2 S. 2; HaftpflG §§ 2, 10

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 9 O 6/97)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.05.2003; Aktenzeichen V ZR 37/02)

BGH (Urteil vom 12.03.2003; Aktenzeichen VIII ZR 2/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels i.Ü. – das am 3.12.1999 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Essen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 215.851,33 DM nebst 6,7 % Zinsen für die Zeit vom 21.1.1995 bis zum 28.2.1999 sowie 4 % Zinsen für die Zeit ab dem 1.3.1999 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden aus dem Schadensereignis vom 19.5.1992 zu ersetzen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sicherheit kann auch durch bedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbracht werden.

Beschwer der Beklagten (zugleich Streitwert der Berufung): 230.851,33 DM, davon 15.000 DM für den Feststellungsantrag.

 

Tatbestand

Am 19.5.1992 kam es zu einem Rohrbruch an der unter der Straße L. in E. verlegten Hauptwasserleitung der beklagten Stadtwerke AG. In der Nachbarschaft, nur ca. 30 bis 40 m von der Bruchstelle entfernt, befindet sich unter der Anschrift H. Hof 30/30a ein Grundstück, dessen Eigentümer der Ehemann der Klägerin, der Zeuge S., ist. Das Grundstück nebst Gebäuden und Maschinen war an die Klägerin verpachtet, die dort ein Textilveredelungsunternehmen betrieb. Das aus der Leitung ausgetretene Wasser floss u.a. auf dieses Gewerbegrundstück und stand dort zeitweise mehrere Meter hoch. Grundstück, Gebäude und Betriebseinrichtungen wurden beschädigt, wodurch sich erhebliche Beeinträchtigungen für das Unternehmen der Klägerin ergaben.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin, deren Ehemann sowie weitere geschädigte Anlieger Schadensersatzbeträge, bei deren Berechnung sie sich an der Höchstbetragsregelung aus § 10 HaftpflG orientierte. Aus eigenem Recht sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes verlangt die Klägerin nunmehr vollständigen Ersatz des bereits berechneten Schadens. Ferner begehrt sie die Feststellung weiterer Schadensersatzverpflichtungen der Beklagten.

Sie hat behauptet, der Wasserschaden vom 19.5.1992 habe letztlich zur Folge gehabt, dass sie im September 1994 ihr Unternehmen habe schließen müssen. Bis dahin sei ein Erwerbsschaden von 294.189,98 DM eingetreten. Einschließlich dieser Schadensposition belaufe sich der ihr und ihrem Ehemann entstandene Schaden nach Abzug von Versicherungsleistungen und Zahlungen der Beklagten auf noch weit über 300.000 DM. Die Klägerin hat gemeint, obwohl sich vor dem Schadensereignis eine eventuell vorhanden gewesene Beschädigung des Wasserrohres nicht habe feststellen lassen, hafte die Beklagte der Höhe nach unbegrenzt, weil sie nicht nur gem. § 2 HaftpflG sondern daneben auch auf der Grundlage eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch Ersatz leisten müsse.

Die Beklagte hat den Standpunkt vertreten, sie sei ausschließlich in dem durch § 10 HaftpflG begrenzten Umfang zum Schadensersatz verpflichtet, und hat außerdem die Schadenshöhe bestritten.

Das LG hat zur Höhe des der Klägerin entstandenen Erwerbsschadens Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen D. Es hat die Klage sodann abgewiesen, weil der Klägerin bei Beachtung der Höchstbetragsregelung aus § 10 HaftpflG kein Restzahlungsanspruch mehr zustehe. Ein auf analoger Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB beruhender nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch scheide aus, weil es wegen der sich aus § 2 HaftpflG ergebenden Haftung der Beklagten an einer Regelungslücke fehle. Bejahe man gleichwohl einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, so müsse dieser ebenfalls der Haftungsbegrenzung aus § 10 HaftpflG unterliegen, weil diese Vorschrift anderenfalls unterlaufen werde.

Zur Begründung ihrer Berufung hält die Klägerin an ihrer Rechtsauffassung unter Wiederholung und Vertiefung ihres diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrags fest. Zur Kalkulation ihrer Forderung reduziert sie die Höhe der einzelnen Schadenspositionen auf die Beträge, die das LG seinen Berechnungen zugrunde gelegt hat.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 215.851,33 DM nebst 6,9 % Zinsen seit dem 21.1.1995 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin alle weiteren Schäden aus dem Schadensereignis vom 19.5.1992 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit ihren Aus...

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