Leitsatz (amtlich)

Für eine konventionswidrige vollzogene Sicherungsverwahrung beträgt die gem. Art. 5 Abs. 5 EMRK zu gewährende angemessene Entschädigung regelmäßig rund 500 EUR pro Monat. Die Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG ist nicht entsprechend anwendbar.

 

Normenkette

EMRK Art. 5, 34, 41; StrEG § 7 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 03.12.2013; Aktenzeichen 25 O 202/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 3.12.2013 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleitung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer vollzogenen über 10 Jahre hinaus gehenden Sicherungsverwahrung in der Zeit vom 30.5.2003 bis zum 26.6.2008.

Hinsichtlich des wechselseitigen Vortrags und der gestellten Anträge aus der 1. Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das LG hat dem Kläger eine Entschädigung i.H.v. 30.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2011 sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 1.370,81 EUR zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klage gegen die erstinstanzlich ebenfalls verklagte Bundesrepublik Deutschland hat das LG abgewiesen.

Passivlegitimiert sei ausschließlich das beklagte Land und nicht der Bund. Zwar sei die Anordnung der Sicherungsverwahrung in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften erfolgt, der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers ergebe sich jedoch aus der gerichtlichen Anordnung sowie dem Vollzug der Sicherungsverwahrung, die durch die Vollstreckungsbehörden des beklagten Landes erfolgt seien.

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf die Entschädigungssumme aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zu, da in der gegen ihn vollzogenen Sicherungsverwahrung über die Dauer von 10 Jahren hinaus ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK zu sehen sei. Die Sicherungsverwahrung stelle eine Freiheitsentziehung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 EMRK dar. Die Rechtfertigungsgründe aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK seien nicht erfüllt.

Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung sei jedenfalls keine Verurteilung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 S. 2a EMRK, da sie ohne die erforderliche Schuldfeststellung erfolgt sei. Zwischen der ursprünglichen Verurteilung und der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über 10 Jahre hinaus bestehe kein hinreichender Kausalzusammenhang mehr. Die Sicherungsverwahrung sei allein aufgrund der am 31.1.1998 in Kraft getretenen neuen Fassung des § 67d Abs. 3 StGB erfolgt, der erstmalig eine Sicherungsverwahrung über einen Zeitraum von 10 Jahren hinaus vorgesehen habe. Nach der vorherigen Fassung des § 67d StGB wäre der Kläger demgegenüber ohne weiteres nach 10 Jahren Sicherungsverwahrung zu entlassen gewesen. Sowohl zum Zeitpunkt der Tatbegehung, als auch zum Zeitpunkt der Verurteilung des Klägers habe noch § 67d StGB a.F. gegolten, nach welchem die Sicherungsverwahrung 10 Jahre nicht habe überschreiten dürfen. Die neue Fassung des § 67d StGB sei demgegenüber auf den Kläger nicht anwendbar.

Es liege auch kein Rechtfertigungsgrund nach Art. 5 Abs. 1 S. 2c EMRK vor, weil potentielle künftige Straftaten, die hinsichtlich ihres Ortes und der Zeit ihrer Begehung nicht hinreichend bestimmt seien, nicht unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen würden.

Darüber hinaus liege auch ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 5 Abs. 1 S. 2e EMRK nicht vor. Es sei nicht hinreichend dargelegt, dass die von dem BVerfG festgelegten engen Ausnahmevoraussetzungen, wonach eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten vorliegen und der Sicherungsverwahrte an einer psychischen Störung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG leiden müsse, bei dem Kläger in dem maßgeblichen Zeitraum seiner Sicherungsverwahrung vorgelegen hätten. Die Entscheidung, durch die die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei, stelle zudem keine hinreichende Grundlage für die Feststellung einer zuverlässig nachgewiesenen Störung bei dem Kläger dar. Dies gelte insbesondere, weil die Entscheidung auf der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes beruhe.

Für den geltend gemachten Zeitraum der Sicherungsverwahrung von rund 61 Monaten sei eine Entschädigung i.H.v. 30.500 EUR angemessen. Eine höhere Entschädigung komme insbesondere nicht aufgrund einer Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG, der einen Tagessatz i.H.v. 25 EUR vorsehe, in Betracht. Eine direkte Anwendung dieses Paragraphen scheide aus, weil die Anspruchsvoraussetzungen aus dem Strafrechtsentschädigungsgesetz nicht vorliegen würden. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Frage. Es fehle hierfür an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe sich nur im Rahmen des Strafrechtsentschädigungsgesetzes und damit ausnahmsweise für eine Pauschalierung des Betrages der immateriellen Entschädigung entschied...

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