Leitsatz (amtlich)

1. Die Pfändung eines Kontoguthabens ist auch dann gläubigerbenachteiligt i.S.v. § 129 InsO, wenn das gepfändete Kontoguthaben im Wesentlichen aus einer Straftat i.S.v. § 261 Abs. 1 StGB stammt.

2. Die Zwangsvollstreckung ist auch dann inkongruent i.S.v. § 131 InsO, wenn sie durch den Steuerfiskus erfolgt.

3. Das Land, das Forderungen auf Umsatzsteuer beigetrieben hat, ist Rückgewährschuldner i.S.v. § 143 InsO auch hinsichtlich des Umsatzsteueranteils, der dem Bund zusteht

 

Normenkette

InsO §§ 129, 131, 143

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 25.08.2005; Aktenzeichen 4 O 282/05)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 11.10.2007; Aktenzeichen IX ZR 87/06)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 25.8.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Paderborn wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Land darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Schuldnerin, die nominell einen Metallhandel betrieb, tatsächlich aber im Wege eines sog. Umsatzsteuerkarussells hauptsächlich Scheingeschäfte deklarierte und hierdurch ihr nicht zustehende Vorsteuererstattungsbeträge erlangte.

Als das zuständige Finanzamt Q hiervon Kenntnis erlangte, erließ es am 1.3.2005 einen Rückzahlungsbescheid. Aufgrund einer Arrestpfändungsverfügung vom 2.3.2005 über einen Betrag von 178.951,34 EUR erhielt es von der L-Bank I als Drittschuldnerin am 4.3.2005 einen Betrag von 34.500 EUR und nachfolgend von der C AG als weiterer Drittschuldnerin einen Betrag von 203,74 EUR gutgeschrieben.

Aufgrund Eigenantrags der Schuldnerin vom 3.4.2005 wurde am 29.4.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger begehrt, gestützt auf eine Anfechtung gem. § 131 Nr. 2 InsO, die Erstattung der im Wege der Pfändung beigetriebenen Beträge.

Das LG hat der Klage in vollem Umfang entsprochen und die vom beklagten Land vorgebrachten Einwände gegen das Bestehen der Anfechtungsvoraussetzungen zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten seiner Begründung sowie des Parteivorbringens in erster Instanz verwiesen wird, richtet sich die Berufung des beklagten Landes, das unter Wiederholung der folgenden Einwände weiterhin die Klageabweisung begehrt:

1. Es liege keine inkongruente Deckung vor. Der Steuerfiskus habe einen Anspruch auf Befriedigung oder Sicherung im Rahmen der von ihm selbst eingeleiteten Zwangsvollstreckung. Das Finanzamt sei gesetzlich und gem. Art. 3 GG verpflichtet, rechtmäßig festgestellte Steuer- oder Steuererstattungsansprüche auch auf diesem Wege durchzusetzen.

2. Es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung. Denn die gepfändeten Guthaben hätten im Wesentlichen aus dem gewerbsmäßigen Erschleichen von Vorsteuererstattungen gestammt; somit unterlägen sie dem Schutz des § 261 StGB und hätten ohnehin nicht zur Befriedigung anderer Gläubiger zur Verfügung gestanden.

3. Hinsichtlich des dem Bund zustehenden Anteils an der Umsatzsteuer sei das beklagte Land nicht Steuergläubiger, sondern lediglich Mittelsperson und damit nicht Rückgewährschuldner i.S.v. § 143 InsO.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

B. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das LG hat der Klage mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die von der Berufung gerügten Rechtsverletzungen liegen nicht vor:

1. Die gem. § 129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung ist nicht deshalb zu verneinen, weil das gepfändete Kontoguthaben im Wesentlichen aus einer Straftat i.S.v. § 261 Abs. 1 StGB stammt.

Insoweit gilt nichts anderes als für die Vorschrift des § 266a StGB im Verhältnis zu den Sozialversicherungsträgern. So wie die individuelle Strafandrohung das Beitragsaufkommen im Interesse der Solidargemeinschaft der Sozialversicherten gewährleisten soll, dient § 261 StGB zwar neben dem in erster Linie verfolgten Zweck, den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf vor Durchmischung mit illegalen Vermögenswerten zu bewahren sowie dem Schutz der Rechtspflege und der Isolierung des Vortäters u.a. auch dem Schutz des durch die Vortat verletzten Rechtsgutes (vgl. Schönke/Schröder/Stree, § 261 StGB Rz. 1).

Ein vorrangiger Zugriff auf bestimmte Vermögenswerte des Schuldners ist damit aber nicht verbunden. So ist es trotz des Gesetzeszwecks, durch die Katalogtaten des § 261 StGB erlangte Vermögenswerte verkehrsunfähig zu machen, jedenfalls einem anderen Gläubiger des Straftäters, der über einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel verfügt und dem über die Herkunft dessen Vermögens nichts bekannt ist, möglich, in diese Vermögenswerte im Wege der Pfändung zu vollstrecken. Dieses Vermögen steht damit auch außerhalb der Insolvenz nicht ausschließlich nur dem durch die Vortat Geschädigten als Haftungsmasse zur Verfügung. Ebenso haben in der...

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