Leitsatz (amtlich)

›1. Der Ermessensspielraum des Rechtsfahrgebotes aus § 2 Abs. 2 StVO entfällt, wenn die Straße wegen Kuppen oder Kurven unübersichtlich ist. Dann muss die äußerste rechte Fahrbahnseite benutzt werden.

2. Auch bei einem 9 Jahre alten Fahrzeug ist es ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht gerechtfertigt, bei der Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung die nächst tiefere Klasse aus der Tabelle Sanden/Danner zu Grunde zu legen.‹

3. Das den Kraftfahrer in § 2 Abs. 2 StVO eingeräumte Ermessen, möglichst weit rechts zu fahren, gilt nicht, wenn die Strecke unübersichtlich wird. Besteht die Gefahr, dass die Unübersichtlichkeit der Strecke ein evtl. erforderliches rechtzeitiges Ausweichen nach rechts hin nicht mehr zulässt, muss der Fahrer die äußerste rechte Fahrbahnseite einhalten.

4. Kommt es zu einer Kollision eines nicht äußerst rechts fahrenden PKW mit einem entgegenkommenden Motorrad-Fahrer, der kurz zuvor überholt hat, obwohl er die zum Überholen erforderliche Strecke nicht vollständig einsehen konnte, so ist eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Motorradfahrers vorzunehmen.

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 20.04.1999; Aktenzeichen 4 O 18/99)

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 8.11.1998 gegen 17.00 Uhr auf der K 20 zwischen ereignete und an welchem u.a. der Kläger mit seinem Opel Kadett und der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Motorrad Yamaha beteiligt waren, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Der Kläger befuhr die K 20 von in Richtung . Im Bereich einer S-Kurve, die aus Sicht des Klägers mit einer Linkskurve beginnt, kam es aus streitiger Ursache zu einer Streifkollision zwischen dem Pkw des Klägers und dem entgegenkommenden Motorrad des Beklagten zu 1). Dieser hatte zuvor den vor ihm fahrenden Audi des Zeugen überholt. Durch die Kollision geriet der Pkw des Klägers ins Schleudern, so daß der Pkw mit dem Pkw des Zeugen B sowie mit einem weiteren hinter diesem fahrenden Motorrad (des Zeugen K ) kollidierte. Die K 20 steigt in Richtung des Beklagten zu 1) im Unfallbereich an. Die Straße ist im Unfallbereich rund 5 m breit. Eine Mittelmarkierung ist nicht vorhanden.

Der Kläger begehrt materiellen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 14.094,71 DM unter Einschluß einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 738,00 DM, die hinsichtlich des Tagessatzes im Streit ist. Darüber hinaus verlangt der Kläger die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,00 DM mit der Behauptung, er habe unfallbedingt eine HWS-Zerrung mit anschließender vegetativer Begleitsymptomatik erlitten. Die Beklagte zu 2) hat nach Klagezustellung auf den geltend gemachten materiellen Schadensersatz einen Betrag in Höhe von 5.000,00 DM gezahlt.

Der Kläger behauptet, das Motorrad des Beklagten zu 1) sei ihm auf seiner Fahrspur entgegengekommen. Die Kollision habe sich im Eingangsbereich der Kurve ereignet.

Demgegenüber behaupten die Beklagten, der Beklagte zu 1) habe das Überholmanöver bereits vor Beginn der Rechtskurve Vollständig abgeschlossen und sich wieder komplett auf seiner Fahrspur befunden, als es zur Kollision mit dem Pkw des Klägers gekommen sei. Dieser sei offensichtlich zu schnell gefahren und habe die Kurve geschnitten.

Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen E und B sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen . Mit dem angefochtenen Urteil hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen stehe fest, daß sich der Kläger zum Kollisionszeitpunkt in der Mitte der Fahrbahn bzw. bereits mit der linken Seite auf der Gegenfahrbahn befunden habe. Demgemäß sei eine Haftungsquote von 75 % zu 25 % zu Lasten des Klägers angemessen. Demnach stünden dem Kläger unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu 2) geleisteten Zahlung in Höhe von 5.000,00 DM keine Ansprüche mehr zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein ursprüngliches Klageziel in vollem Umfange weiterverfolgt. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und greift insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen an. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B K, und E sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des, Sachverständigen Dipl.-Ing. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat zum Teil Erfolg. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet.

Die Beklagten sind gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PflVG

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