Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 03.12.2015; Aktenzeichen 6 O 110/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3.12.2015 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum mit dem zugrundeliegenden Verfahren für die Zeit ab dem 1.12.2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.

Mit notarieller Urkunde vom 17.1.2000 unterwarf sich die Klägerin gegenüber der I AG (spätere F AG) sowohl dinglich als auch persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Nach mehreren Übertragungen der der persönlichen Unterwerfungserklärung (vermeintlich) zu Grunde liegenden Forderung betreibt nunmehr die Beklagte gegen die Klägerin aus dem persönlichen Titel die Zwangsvollstreckung in Höhe von 511.291, 88 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Am 1.12.2015 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet (Bl. 271 ff. d.A.).

In der erstinstanzlichen Sitzung vom 3.12.2015 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht thematisiert. Mit am Schluss dieser Sitzung verkündeten Urteil hat das LG die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 20.1.2016 hat der Insolvenzverwalter die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Gerichtsakte angezeigt (Bl. 270 f. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 2.2.2016, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, hat die Beklagte fristwahrend Berufung eingelegt (Bl. 282 d.A.) und mit weiterem Schriftsatz vom 15.2.2016 auf die - bereits erstinstanzlich eingetretene - Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO hingewiesen (Bl. 289 d.A.).

Mit Antrag vom 7.10.2016 hat die Klägerin beantragt, den Insolvenzverwalter der Beklagten zur Aufnahme des Rechtsstreits zu laden (Bl. 308 f. d.A.). Mit gerichtlichem Schreiben vom 25.10.2016 ist darauf hingewiesen worden, dass die Geltendmachung der Unterbrechungswirkung des § 249 ZPO, auf die die Berufung hier gestützt werde, von einer Aufnahme des Rechtsstreits nicht abhängen dürfte (Bl. 313 d.A.). Eine Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter ist nicht erfolgt.

Die Parteien beantragen übereinstimmend, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin zieht angesichts der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wirksamkeit der den jetzigen Beklagtenvertretern erteilten Prozessvollmacht in Zweifel (Bl. 331 d.A.). Der Insolvenzverwalter der Beklagten hat angezeigt, dass es aus seiner Sicht die Erteilung einer Prozessvollmacht durch ihn nicht bedarf (Anlage zum Schriftsatz vom 20.12.2016 (Bl. 336 d.A.).

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (Bl. 323 d.A., Bl. 324 d.A.).

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit dem zugrundeliegenden Verfahren ab dem 1.12.2015 und zur Zurückverweisung an das LG.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere wirksam eingelegt. Der Insolvenzschuldner, hier die Beklagte, kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechtsfolge der Unterbrechung eines Gerichtsverfahrens nach § 240 ZPO mit einem Rechtsmittel selbst zur Geltung bringen, wenn das mit der Sache befasste Gericht diese Rechtsfolge außer Acht gelassen und ein Urteil verkündet hat. Auf eine Kenntnis des Gerichts vom Unterbrechungsgrund kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 16.1.1997, Az.: IX ZR 220/96 - juris Rn. 11). Insbesondere kann auch die Entscheidung des Berufungsgerichts während der Unterbrechung erfolgen (vgl. Zöller, 31. Aufl. 2016, § 250 Rn. 10; BGH, Versäumnisurteil vom 27.1.2009 - XI ZR 519/07, Rz. 13 = MDR 2009, 583). Für solche Fallkonstellationen kann eine vor Insolvenzeröffnung erteilte Prozessvollmacht abweichend von § 117 InsO als fortbestehend behandelt werden (OLG Hamm, Urteil vom 13.1.2011 - 17 U 98/10 -, juris Rn. 16). Entsprechend ist die Beklagte auch befugt, wie hier ggf. geschehen, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Zwecke der Geltendmachung der Unterbrechenswirkung neuen Prozessbevollmächtigten für den Berufungsrechtszug Prozessvollmacht zu erteilen.

II. Die Berufung ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten am 1.12.2015 durfte weder eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden noch ein Urteil ergehen. Das Verfahren war am selben Tag nach § 240 ZPO unterbrochen. Ein trotz Unterbrechung des Verfahrens ergangenes Urteil ist allerdings nicht nichtig, so...

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